Betreff
Überplanmäßige Mittelbereitstellung zur Beauftragung eines gesamtstädtischen Seveso-II-Gutachtens
Vorlage
1777/2012
Aktenzeichen
612-sik-Seveso-II
Art
Beschlussvorlage

 

Beschlussentwurf:

 

1.        Der Beauftragung eines gesamtstädtischen Seveso-II-Gutachtens mit einem Auftragsvolumen von 120.000 € wird zugestimmt.

 

2.   Zur Finanzierung werden 120.000 € Deckungsmittel überplanmäßig beim Auftrag 610009050103 Entwicklung und Pflege räumlicher und funktionaler Konzepte für das gesamte Stadtgebiet, bereitgestellt.

 

Deckungsmittel:

 

Produktgruppe 0905 – Generelle Planung

Sachkonto 526100 – Aufwand Dienstleistung

Finanzposition 720000                                                                          20.000 €

 

Produktgruppe 1605- Allg. Finanzwirtschaft

Sachkonto 551710 - Zinsaufwendungen für Kassenkredite

Finanzposition 751710                                                                        100.000 €

                                   

 

gezeichnet:

Buchhorn                                                                  Häusler

 

Begründung:

 

Die Seveso-II-Richtlinie (Richtlinie 96/82/EG des Rates vom 9. Dezember 1996) dient der Verhütung schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen und Begrenzung der Unfallfolgen für Mensch und Umwelt. Artikel 12 der Seveso-II-Richtlinie befasst sich mit „Land-Use-Planning“ (LUP). Hier ist festgelegt, dass u. a. bei der „Politik der Flächenausweisung (…) langfristig dem Erfordernis Rechnung getragen wird, dass zwischen Störfallbetrieben und Wohngebieten, öffentlich genutzten Gebäuden und Gebieten, wichtigen Verkehrswegen, Freizeitgebieten und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvollen bzw. besonders empfindlichen Gebieten (...) ein angemessener Abstand gewahrt bleibt (…) damit es zu keiner Zunahme der Gefährdung der Bevölkerung kommt“. Diese Vorgaben sind sowohl bei der Errichtung / Änderung von Störfallbetrieben (Betriebsbereichen) als auch bei neuen Entwicklungen im (unmittelbaren) Umfeld bestehender Betriebe zu berücksichtigen.

Die Umsetzung in deutsches Recht erfolgte über die 12. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchV / Störfall-Verordnung) sowie § 50 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG). § 50 BImSchG enthält das so genannte Trennungsgebot. Danach sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen und von schweren Unfällen in Betriebsbereichen hervorgerufene Auswirkungen auf Wohngebiete und sonstige schutzbedürftige Nutzungen so weit wie möglich vermieden werden. Bei städtebaulichen Entwicklungen – insbesondere Neuplanungen – sind im Rahmen der Bauleitplanung eine Nachbarschaftssituation zu Störfallbetrieben und ggf. die Einhaltung eines angemessenen Abstandes zu prüfen. Diesbezüglich hat die Kommission für Anlagensicherheit (KAS) den Leitfaden „Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung – Umsetzung § 50 BImSchG (KAS-18)“ als Arbeitshilfe heraus gegeben.

Mit seinem Urteil vom 15.09.2012 (EuGH, Urt. v. 15. 09. 2011 – C-53/10) bestätigte der Europäische Gerichtshof den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.12.2009 (BVerwG, Beschl. v. 03. 12. 2009 – 4 C 5.09) dahingehend, dass Art. 12 Abs. 1 der Seveso-II-Richtlinie sich nicht nur an Planungsträger, sondern die Baugenehmigungsbehörden richtet. Die Risiken einer Ansiedlung innerhalb der Achtungsabstände eines Störfallbetriebes müssen auch dann unter Würdigung des Einzelfalls berücksichtigt werden, wenn das Vorhaben nach nationalem Recht zwingend zuzulassen wäre. Die Folge dieser Rechtsprechung ist, dass nicht nur bei Planungen, sondern auch im einzelnen Genehmigungsverfahren darüber entschieden werden muss, ob neue Nutzungen mit viel Publikumsverkehr in der Nähe von Betriebsbereichen zugelassen werden dürfen, in denen gefährliche Stoffe vorhanden sind. Dabei wirken die Vorgaben des Art. 12 Abs. 1 der Seveso-II-Richtlinie auch im so genannten unbeplanten Innenbereich gem. § 34 BauGB.

Der EuGH fordert eine seinen Vorgaben entsprechende Auslegung des nationalen Rechts, welche durch das BverwG vorzunehmen ist. Eine entsprechende Umsetzung ist bisher nicht erfolgt.

Da keine Detailkenntnisse über die genaue Lage der Störfallbetriebe innerhalb der Betriebsbereiche auf Leverkusener Stadtgebiet und die dort gehandhabten Störfallstoffe vorliegen, werden derzeit die pauschalen Achtungsabstände von 1.500 m nach KAS-18 angenommen. Lägen Detailkenntnisse vor, könnten die angemessenen Abstände ermittelt werden, die sich u. a. aus den Sicherheitsmaßnahmen ergeben, die die Betreiber gemäß § 3 Störfall-Verordnung zu treffen haben, um Störfälle zu verhindern bzw. deren Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Die angemessenen Abstände sind in der Regel geringer bemessen als die Achtungsabstände.

Innerhalb der pauschalen Achtungsabstände von 1.500 m befinden sich zahlreiche Grundstücke und Flächen, die einer städtebaulichen Nutzung bzw. Entwicklung zugeführt werden sollen. Da bisher keine Detailkenntnisse vorlagen, wurden seitens der Bezirksregierung Köln bei der Planung schutzbedürftiger Nutzungen, z. B. Kindertagesstätten, Einzelfallbetrachtungen durch einen nach § 29a BImSchG anerkannten Sachverständigen eingefordert, die belegen, ob und wenn ja welche Konfliktpotenziale durch die Nähe des Vorhabens zu einem oder mehreren Störfallbetrieben entstehen und wie diesen begegnet werden kann.

Darüber hinaus wurde der Stadt Leverkusen seitens der Bezirksregierung empfohlen[1] „hinsichtlich der weiteren Entwicklungen in der Nachbarschaft des Chemparks (…), in Abstimmung mit den Betreibern der Betriebsbereiche eine umfassende Ermittlung des angemessenen Abstandes unter Berücksichtigung der Gefahrenpotenziale aller Betriebsbereiche nach der in Punkt 3.2 des Leitfadens KAS-18 beschriebenen Vorgehensweise vorzunehmen. Auf der Basis der Ergebnisse dieser Untersuchung sollten dann Konzepte für mögliche Nutzungen innerhalb der ermittelten angemessenen Abstände und gegebenenfalls für betriebsseitige Maßnamen zur Verringerung der angemessenen Abstände entwickelt werden.“

Aufgrund der geschilderten Umstände, wird seitens des Fachbereichs Stadtplanung und Bauaufsicht die zwingende Notwendigkeit gesehen, einen nach § 29a BImSchG anerkannten Sachverständigen mit der Erarbeitung eines gesamtstädtischen Seveso-II-Gutachtens zu beauftragen. In dem Gutachten soll die Verträglichkeit bestimmter im Stadtgebiet vorhandener Störfallbetriebsbereiche mit aktuellen und zu­künftigen (städte-) baulichen Planungen (Stadtentwicklung allgemein) unter dem Gesichtspunkt des § 50 BImSchG bzw. Art. 12 der Seveso-II-Richtlinie untersucht werden.

In diesem Gutachten sollen zunächst die angemessenen Abstände ermittelt und darauf aufbauend die möglichen Auswirkungen auf die Stadtentwicklung im unmittelbaren Umfeld der Störfallbetriebe benannt werden. Dazu sollen generelle Aussagen getroffen werden, welche schutzbedürftigen und sonstigen Nutzungen gem. § 50 BImSchG innerhalb dieser Abstände zukünftig möglich bzw. unter welchen Bedingungen möglich sind, also beispielsweise Schulen, Kindertagesstätten, Einzelhandel, Büros, Hotels, Gewerbe.

Generell soll das Gutachten in engem Dialog mit der Industrie erarbeitet werden. Die betroffenen Betriebe wurden bereits informiert und haben die Zusammenarbeit zugesagt.

Die Ergeb­nisse des Gutachtens sollen als Planungs- und Entscheidungsgrundlage bzw. Abwägungs­material für Plan- und Genehmigungsverfahren dienen. Des Weiteren sollen auf ihrer Basis städtebauliche Verträge mit den Betreibern geschlossen werden, um im Hinblick auf städtebauliche Ent­wicklungen bzw. zukünftige Bauvorhaben sowohl der Stadt als auch den Betreibern Pla­nungssicherheit gewähren zu können. Auf diese Weise sollen frühzeitig mögliche Konflikt­punkte zwischen empfindlichen Nutzungen und Störfallbetrieben im städtebaulichen Zu­sammenhang einvernehmlich gelöst werden.

Für die Erstellung des gesamtstädtischen Seveso-II-Gutachtens wurden bereits Angebote bei nach § 29a BImSchG anerkannten Sachverständigen eingeholt. Nach den vorliegenden Angeboten beläuft sich die Auftragssumme für die Vergabe des gesamtstädtischen Seveso-II-Gutachtens auf ca. 120.000 €. Davon sollen mindestens 20.000 € in 2012 beauftragt werden. Diese Mittel sind in der Produktgruppe 0905, Produkt 090501, vorhanden. Die dann noch „fehlenden“ 100.000 € sind im Haushalt des FB 61 nicht vorgesehen. Daher wurde vereinbart, dass noch in 2012 überplanmäßige Mittel bereitgestellt werden, sofern Deckungsmittel vorhanden sind, um das Gutachten zeitnah vergeben zu können. Bei entsprechender Mittelbereitstellung besteht die Möglichkeit, den Auftrag bereits in diesem Jahr zu vergeben und die Mittel zu binden. Eine Zahlung kann dann 2013 erfolgen.

Deckungsmittel in Höhe von 100.000 €  werden aus der Position Zinsaufwendungen für Kassenkredite, Auftrag  970016050212, Sachkonto 551710 bereitgestellt.

 



[1] Schreiben vom 27.2.2012 zur Kindertagesstätte Carl-Duisberg-Park.

Schnellübersicht über die finanziellen Auswirkungen der Vorlage Nr. 1777/2012

Beschluss des Finanzausschusses vom 01.02.2010 und Auflage der Kommunalaufsicht vom 26.07.2010

 

Ansprechpartner / Fachbereich / Telefon: Frau Sikorski / FB 61 / -6123

Kurzbeschreibung der Maßnahme und Angaben, ob die Maßnahme durch die Rahmenvorgaben des Leitfadens des Innenministers zum Nothaushaltsrecht abgedeckt ist.

(Angaben zu § 82 GO NRW, Einordnung investiver Maßnahmen in Prioritätenliste etc.) 

 

Beauftragung eines gesamtstädtischen Seveso-II-Gutachtens. Details siehe Begründung.

 

 

A) Etatisiert unter Finanzstelle(n) / Produkt(e)/ Produktgruppe(n):

 (Etatisierung im laufenden Haushalt und mittelfristiger Finanzplanung)

 

20.000 € sind unter Produktgruppe 0905, Produkt 090501, vorhanden. Die restlichen 100.000 € sind bislang nicht im Haushalt des FB 61 etatisiert. Diese Mittel wurden jedoch für 2013 angemeldet.

Es wird um Bereitstellung überplanmäßiger Mittel gebeten, um zeitnah beauftragen zu können.

 

 

B) Finanzielle Auswirkungen im Jahr der Umsetzung:

(z. B. Personalkosten, Abschreibungen, Zinswirkungen, Sachkosten etc.)          

 

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C) Finanzielle Folgeauswirkungen ab dem Folgejahr der Umsetzung:            

(überschlägige Darstellung pro Jahr)                                              

 

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D) Besonderheiten (ggf. unter Hinweis auf die Begründung zur Vorlage):

(z. B.: Inanspruchnahme aus Rückstellungen, Refinanzierung über Gebühren, unsichere Zuschusssituation, Genehmigung der Aufsicht, Überschreitung der Haushaltsansätze, steuerliche Auswirkungen, Anlagen im Bau, Auswirkungen auf den Gesamtabschluss)

 

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Begründung der einfachen Dringlichkeit:

 

Von einer Vertagung des Beschlusses in den nächsten Sitzungsturnus wird auf jeden Fall abgeraten, da eine kurzfristige Beauftragung für eine Klärung anstehender Projekte unabdingbar ist. Es sind bereits Angebote für die Erstellung des gesamtstädtischen Seveso-II-Gutachtens eingeholt worden, so dass die Beauftragung zeitnah erfolgen kann.