Betreff
Änderung der Schmutzwassergebührensatzung
- Bürgerantrag vom 05.07.16
Vorlage
2016/1211
Aktenzeichen
011-12-11-sc
Art
Beschlussvorlage

 

 

Beschlussentwurf:

 

1.    Der Ausschuss für Anregungen und Beschwerden nimmt zur Kenntnis, dass die in Leverkusen praktizierte Veranlagung von Schmutzwassergebühren auf der vom Städte- und Gemeindebund NRW vorgeschlagenen Mustersatzung beruht.

 

2.    Der Ausschuss lehnt den Bürgerantrag auf Änderung der Gebührensatzung ab.

 

 

gezeichnet:

Richrath

Begründung:

 

Mit Schreiben vom 05.07.2016 (s. Anlage 1) beantragt der Petent eine Änderung der Satzungsregelungen für Schmutzwassergebühren in Leverkusen.

 

Hierbei führt er an, dass die Veranlagung nach Schätzwert Personenzahl erfolgt und eine Anpassung nur in Ausnahmefällen (Abweichung > 20 %) erfolgen würde. Daraus folgert er, dass Verbrauchsschwankungen nicht berücksichtigt würden.

 

 

Grundlagen der Gebührenfestsetzung allgemein

 

Benutzungsgebühren sind satzungsrechtlich festgelegte Entgelte für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Dienstleistung.

 

Während im Privatrecht das Entgelt weitestgehend frei bestimmt werden kann, unterliegen Benutzungsgebühren sich aus dem öffentlichen Recht ergebenden Grundsätzen und besonderen Regeln. Hierbei haben die Verwaltungsgerichte über viele Jahrzehnte zahlreiche gebührenrechtliche Rechtsgrundsätze wie

 

·         das Äquivalenzprinzip,

·         das Kostendeckungsprinzip,

·         das Gleichheitsprinzip / Prinzip der Typengerechtigkeit sowie

·         den Grundsatz der Erforderlichkeit von Kosten

 

definiert, die bei der Kalkulation der Gebührensätze zu beachten sind.

 

Durch die Erhebung von Benutzungsgebühren, wie die Schmutzwassergebühren oder auch Straßenreinigungsgebühren erfolgt die prozentuale Aufteilung der Gesamtkosten auf alle Gebührenpflichtige. Die Überlegung, welche Grundlage die prozentuale Aufteilung letztlich hat, führt nur dann zu anderen Gebührenhöhen bei den einzelnen Gebührenpflichtigen, wenn sich dadurch im Vergleich zu allen anderen Gebührenpflichtigen eine andere prozentuale Aufteilung ergibt.

 

 

Modelle der Gebührenfestsetzung:

 

Grundsätzlich könnte man sich 4 Modelle der Gebührenfestsetzung vorstellen:

 

1.    Modell 1: Die Schmutzwassergebühren werden nach dem sogenannten Frischwassermaßstab auf Basis des Frischwasserverbrauchs des Vorjahres bzw. Vorvorjahres erhoben.

 

2.    Modell 2: Die Gebühren werden als Vorauszahlungen zu Jahresbeginn festgesetzt und dann nach den tatsächlichen Verbrauchsmengen und Kosten nach Ablauf des Jahres abgerechnet.

 

3.    Modell 3: Die Gebühren werden als Vorauszahlungen zu Jahresbeginn festgesetzt und es erfolgen Abrechnungsbescheide mit parallelen Zeiträumen zu der Frischwasserablesung (= Abrechnung ausschließlich mit geänderten Verbrauchswerten ohne Kostenabrechnung; rollierende Abrechnung).

 

4.    Modell 4: Festsetzung der Schmutzwasserkosten als privatrechtliche Entgelte.

 

 

Zu Modell 1: (Entspricht der Mustersatzung des Städte- und Gemeindebundes)

 

Dieses Gebührenmodell wird in Leverkusen seit Jahrzehnten praktiziert und wird ebenso lange von der Rechtsprechung anerkannt (vgl. u. a. Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 14.05.1969 – II A 687/67 und Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 21.04.1994 – 13 K 3474/93).

 

Da die Schmutzwassergebühren im Regelfall nach dem Wasserverbrauch des Vorjahres bzw. Vorvorjahres erhoben werden, werden letztlich alle Verbrauchsschwankungen nachvollzogen.

 

Die Veranlagungsgrundlage ist nicht deckungsgleich mit dem Verbrauch des Veranlagungsjahres. Dieses ist jedoch unerheblich, da es für die individuelle Gebührenhöhe letztlich nur auf das prozentuale Verhältnis aller Gebührenpflichtigen untereinander ankommt. Da alle tatsächlichen Verbräuche in die Gebührenberechnung einfließen, ergibt sich für den gesamten Nutzungszeitraum kein Nachteil.

 

Auch gibt es für Verbrauchsänderungen > 20% eine Ausnahmeregelung, so dass in diesen Fällen Abhilfe geschaffen werden kann.

 

 

Zu Modell 2: (Vorschlag des Bürgerantrages; entspricht der in der Mustersatzung vom Städte- und Gemeindebund genannten Alternative)

 

Dieses Gebührenmodell beinhaltet die nachfolgenden Grundlagen:

 

Eine Änderung dieser Veranlagung ist rechtlich nur gesichert, wenn eine vollständige Abrechnung erfolgt. Dieses bedeutet, dass:

 

1.    Die Gebührenpflicht erst am 31.12. des Jahres entsteht, vorher werden  Vorausleistungen erhoben.

2.    Diesen Vorausleistungen müssen Abrechnungsbescheide folgen. In diesen endgültigen Festsetzungen sind dann sowohl die tatsächlich angefallenen Wassermengen, wie auch die tatsächlich angefallenen Kosten zu berücksichtigen.

3.    Da der Gebührensatz sich aus der Division aller angefallenen Kosten durch die gesamte Wassermenge ergibt, kann eine Abrechnung erst erfolgen, wenn alle Kosten und alle Wasserwerte vorliegen.

4.    Die vollständigen Kosten liegen ungefähr im Herbst des Folgejahres vor. Die vollständige Wassermenge liegt erst im Dezember des Folgejahres vor, da auch Ablesungen aus November des Folgejahres noch Anteile des Verbrauchs des Veranlagungsjahres beinhalten.

5.    Eine Abrechnung ist folglich erst danach möglich. Dieses bedeutet beispielsweise, Vorauszahlungsbescheide für das Jahr 2016 können erst im Jahre 2018 mit endgültigen Festsetzungen abgeschlossen werden. Hierbei kommt es gleichermaßen sowohl zu Erstattungen, wie auch zu Nachzahlungen.

 

Es fallen bei diesem Gebührenmodell zusätzliche laufende Kosten von rd. 108.000 € jährlich an, die von den Gebührenpflichtigen zu tragen wären (siehe Kostenermittlung).

 

 

Zu Modell 3: (auch Vorschlag des Bürgerantrages (Stadt Hilden); entspricht nicht der Mustersatzung des Städte- und Gemeindebundes)

 

Eine weitere Alternative ist die sogenannte rollierende Abrechnung, in der die Festsetzung an die Wasserverbrauchszeiträume angepasst ist und keine richtige Abrechnung erfolgt.

 

Zu dieser Praxis gibt es keine Rechtsprechung, jedoch wird diese Methode in der Kommentierung des Kommunalabgabengesetzes als rechtlich fehlerhaft eingestuft (siehe Driehaus: Kommentar Kommunalabgabenrecht, Randziffern 371 ff. zu § 6 KAG und die in der Anlage beiliegende Kommentierung zu Vorausleistungen von Professor Dr. Christoph Brüning, Universitätsprofessor an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Rechtswissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl für öffentliches Recht; zuvor Richter am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen; Autor verschiedenster Beiträge und Kommentierungen zum Kommunalabgabenrecht).

 

Außer den rechtlichen Bedenken ist zu beachten, dass bei diesem Gebührenmodell wie bei Modell 2 zusätzliche laufende Kosten von rd. 108.000 € jährlich anfallen, die von den Gebührenpflichtigen zu tragen wären (siehe Kostenermittlung).

 

 

Zu Modell 4:

 

Statt über Gebühren können die Kosten der Entwässerung auch über privatrechtliche Entgelte refinanziert werden.

 

Diese Alternative ist jedoch nicht zu empfehlen, da dann zusätzlich Kosten für die Mehrwertsteuer anfallen.

 

Des Weiteren steigt das Ausfallrisiko gegenüber Gebührenfestsetzungen, da privatrechtliche Entgelte nicht per Gesetz als öffentliche Last auf dem Grundstück liegen.

 

Außerdem steigt die rechtliche Unsicherheit eventueller kartellrechtlicher Einflussnahme. Diese kann nicht abgeschätzt werden.

 

Auch werden sich die Verwaltungskosten erheblich erhöhen, da eine gemeinsame Abrechnung mit den anderen Gebühren nicht mehr erfolgen kann. Es wäre eine vollständig eigenständige Abrechnung (eigenständiges EDV-Verfahren, inclusive Mitarbeiter, Mahnwesen etc.) erforderlich.

 

Zudem werden die sich aus dem öffentlichen Recht ergebenden Grundsätze und besonderen Regeln außer Kraft gesetzt.

 

 

Zeitliche Komponente einer Gebührenumstellung:

 

Eine Umstellung des Gebührensystems erfordert eine Vorlaufzeit, da das neue System erst entwickelt und EDV-technisch umgesetzt und getestet werden muss. Es müssen die Grundlagen innerhalb dieser Zeit aufgebaut werden (Anfragen nach Abzugsmengen müssen zum Beispiel auf den Verbrauchszeitraum umgestellt werden). Der zeitliche Aufwand lässt sich aus der Erfahrung der Stadt Wuppertal einschätzen. Die Stadt Wuppertal hat 2014 begonnen ihr Gebührensystem umzustellen. Die Systemumstellung ist dann 2016 erfolgt. Die Jahresbescheide wurden Ende Januar 2016 versendet.

 

Eine Vorlaufzeit von weniger als 2 Jahren ist somit als unrealistisch einzustufen.

 

 

Einführungskosten einer Gebührenumstellung:

 

Die Einführungskosten belaufen sich innerhalb von 2 Jahren geschätzt auf rund. 800.000 € (siehe Kostenermittlung).

 

 

Beispiel Gebührenhöhe auf Basis der Gebührenkalkulation 2016:

 

Gebühr gem. Gebührenkalkulation 2016                       2,43 €

 

Fiktive Gebühr mit Umstellungsphase für 2016                        2,48 €

 

 

Zusätzliche jährliche Kosten nach der Umstellung:

 

Nach einer eventuellen Gebührenumstellung auf ein „Abrechnungsmodell“ fallen zusätzlich jährlich rd. 108.000 € Kosten an (siehe Kostenermittlung).

 

Beispiel Gebührenhöhe auf Basis der Gebührenkalkulation 2016:

 

Gebühr gem. Gebührenkalkulation 2016                       2,43 €

 

Fiktive Gebühr mit Umstellungsphase für 2016                        2,45 €

 

 

Fazit:

 

Die Mustersatzung des Städte- und Gemeindebundes, auf die der Petent verweist, schlägt das aktuelle Leverkusener Modell zur Gebührenabrechnung vor. Lediglich als Alternative wird vom Städte- und Gemeindebund das in dieser Stellungnahme beschriebene Modell 2 vorgeschlagen.

 

Auch die Stadt Köln rechnet ihre Benutzungsgebühren entgegen der Beschreibung des Petenten nach dem gleichen Prinzip wie Leverkusen ab.

 

Der Petent erwähnt in seinem Schreiben auch die Gebührensatzung der Stadt Hilden, welche aber das in dieser Stellungnahme als Modell 3 beschriebene System anwendet.

 

Als ein in der Rechtsprechung anerkanntes Alternativmodell zur praktizierten Leverkusener Gebührenveranlagung kann lediglich das Modell 2 benannt werden. Das Modell 3 beinhaltet das Risiko, dass die Rechtsprechung dieses für unzulässig erklärt.

 

Unabhängig von der Wahl der Modelle besteht bei einer Systemumstellung eine Vorlaufzeit von 2 Jahren. Die Kosten hierfür betragen rd. 800.000 € (jährlich rd. 400.000 €). Diese Kosten wären über die Gebühr zu finanzieren, erhöhen also die Gebührensätze.

 

Die laufenden Mehrkosten bei einer Systemumstellung betragen jährlich rund 108.000 € und erhöhen ebenfalls die Gebührensätze.

 

Die Mehrkosten für die Umstellung auf privatrechtliche Entgelte können nicht beziffert werden, jedoch würde alleine schon die anfallende Mehrwertsteuer von 19% 0,46 € betragen.

 

Die in Leverkusen praktizierte Gebührenveranlagung (Modell 1) ist nach Abwägung der Vor- und Nachteile den anderen Modellen vorzuziehen, da bei diesem in Summe die geringsten Gebühren erhoben werden.

 

Bei Gebührenmodellen, die Vorauszahlungen und Abrechnungen beinhalten ist der Aufwand höher ist als bei Gebührenmodellen, die auf einer jährlich einmaligen Festsetzung basieren. Erhöhter Aufwand führt zu höheren Kosten, so dass insgesamt das von den Gebührenzahlern zu entrichtende Gebührenaufkommen steigen würde.

 

 

Kostenermittlung:

 

 

1.    Einführungskosten einer Gebührenumstellung:

 

Wie oben dargestellt, entsteht für die Einführung eines neuen Gebührensystems großer Aufwand. Dieser Aufwand führt betriebswirtschaftlich zu Einführungskosten. Die Kosten sind für den gesamten Einführungszeitraum von 2 Jahren zusammengefasst.

 

 

Software-Entwicklung im Grundabgabenverfahren:                            rd. 130.000 €
Beratungsleistung durch BPC:                                                                 rd.   50.000 €
Externe Rechtsberatung:                                                                           rd.   10.000 €

 

Basis der Kostenschätzung für Softwareentwicklung,

Beraterleistung sowie der externen Rechtsberatung

sind die vergleichbaren Kosten für die Umstellung

aus Wuppertal

 

Personaleinsatz                                                                                           rd. 560.000 €

(4 Beschäftigte/analog Personaleinsatz Umstellung

Abfallentsorgungsgebühren; Grundlage ist die Tabelle

„Durchschnittliche Kosten eines Arbeitsplatzes“

des Fachbereiches Personal und Organisation

 

Kosten auf der Leitungsebene, die                                                          rd.   50.000 €

die Umstellung plant und koordiniert.

 

 

Summe:                                                                                                         rd. 800.000 €

 

 

Des Weiteren fallen ggf. noch Kosten für die Programmierung

der neuen Anforderungen an. Diese Kosten sind von dem sich

ergebenden Aufwand abhängig und können daher nicht

geschätzt werden.

 

 

2.    Zusätzliche laufende  jährliche Kosten nach der Umstellung:

 

Durch die Umstellung fallen laufende zusätzliche Kosten an, da in jedem Fall ein Abrechnungsbescheid erzeugt werden muss.

 

Druck und Kuvertierung der Bescheide                                                    rd. 13.000 €

Portokosten                                                                                                     rd. 12.700 €

 

Die Kosten sind im Dreisatz anhand der Kosten

der Jahresveranlagung 2015 ermittelt worden

 

zusätzliches Personal                                                                                  rd. 83.000 €

ein zusätzlicher Mitarbeiter, der Bedarf wurde

anhand des aktuellen Mitarbeiterbestandes und

des erwartbaren Mehraufwandes berechnet

Grundlage ist die Tabelle

„Durchschnittliche Kosten eines Arbeitsplatzes“

des Fachbereiches Personal und Organisation

 

Noch nicht berücksichtigt sind zusätzliche Kosten durch den erhöhten Buchungsaufwand im Abrechnungs- und Vollstreckungsbereich.

 

 

Summe                                                                                                          rd. 108.700 €