Betreff
Umsatzbesteuerung der Stadt Leverkusen;
Änderung des Umsatzsteuergesetzes, Abgabe einer Optionserklärung
Vorlage
2016/1245
Art
Beschlussvorlage

Beschlussentwurf:

 

Der Rat der Stadt Leverkusen beauftragt den Oberbürgermeister, gegenüber dem Finanzamt Leverkusen eine Optionserklärung gemäß § 27 Abs. 22 S. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) abzugeben, um die bisher geltenden Regelungen für die Umsatzbesteuerung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPdÖR) nach Maßgabe der Begründung weiterhin anwenden zu können.

 

 

gezeichnet:                          In Vertretung

 

 

Richrath                                Stein

Begründung:

 

Bereits seit mehreren Jahren wurde über das Erfordernis einer Neuregelung zur Besteuerung von jPdÖR diskutiert, um den Vorgaben des Europäischen Umsatzsteuerrechts Rechnung zu tragen. Nunmehr hat der deutsche Gesetzgeber im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 2015 eine tiefgreifende Änderung im Hinblick auf die Unternehmereigenschaft von jPdÖR und damit auch von Kommunen vorgenommen.

 

I. Bisherige Rechtslage:

 

Bislang ist die Stadt nach nationalem Recht grds. nur umsatzsteuerpflichtig im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (BgA). Die Gesamtheit der Betriebe bildet umsatzsteuerrechtlich das Unternehmen der Stadt.

 

Ob ein BgA vorliegt, ist nach den Kriterien des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu prüfen. Danach ist ein BgA jede Einrichtung, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dient und sich innerhalb der Gesamtbetätigung der Stadt wirtschaftlich heraushebt. Hierzu zählen z.B. Schwimmbäder, Museen, Wochenmärkte, etc.

 

Bislang werden insbesondere folgende Bereiche nicht vom deutschen Umsatzsteuerrecht erfasst:

 

-       Hoheitliche Tätigkeiten

-       reine Vermögensverwaltung

-       Amtshilfe- und Beistandsleistungen für andere jPdÖR

 

Insbesondere der Bundesfinanzhof (BFH) hat in den vergangenen Jahren wiederholt die Richtlinienwidrigkeit der Besteuerung von jPdÖR festgestellt. Vor allem wurde bemängelt, dass das Wettbewerbskriterium der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht in nationales Recht umgesetzt worden ist.

 

Trotzdem blieb der deutsche Gesetzgeber untätig bis in der weiteren Rechtsprechungsentwicklung eine umfassende Steuerpflicht von Beistandsleistungen von jPdÖR untereinander in Rede stand. Dies hätte die verwaltungsökonomische Zusammenarbeit von jPdÖR konterkariert, so dass der Gesetzgeber sich zum Handeln gezwungen sah.

 

II. Neue Rechtslage:

 

Mit Wirkung zum 01.01.2017 wurde daher § 2b in das UStG eingefügt. Hierdurch werden das Körperschaft- und das Umsatzsteuerrecht in Bezug auf jPdÖR entkoppelt, d.h. für eine mögliche Umsatzsteuerpflicht ist nicht mehr das Vorliegen eines BgA i.S.d. KStG erforderlich.

 

Vielmehr soll es jetzt insbesondere darauf ankommen, ob eine jPdÖR auf Basis eines privatrechtlichen Vertrages (allgemeine Grundsätze zur Beurteilung einer Unternehmereigenschaft nach § 2 Abs. 1 UStG) oder auf Basis öffentlich-rechtlicher Regelungen tätig wird (§ 2b UStG), wobei auch verstärkt dem Wettbewerbsgedanken Rechnung getragen wird, d.h. sobald die jPdÖR in Konkurrenz zu anderen Unternehmen tätig wird, kann dies eine Umsatzsteuerpflicht auslösen.

 

Demnach werden grds. zusätzlich zu den bereits nach alter Rechtslage zu berücksichtigenden Sachverhalten zukünftig folgende Bereiche grds. vom Umsatzsteuerrecht erfasst:

 

-       reine Vermögensverwaltung

-       ggf. Beistandsleistungen

 

III. Übergangsregelung:

 

Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit einer bis zu vier Jahre dauernden Übergangszeit vorgesehen, deren Inanspruchnahme einer sogenannten Optionserklärung der jPdÖR bedarf.

 

Mit dieser kann die jPdÖR beantragen, die bislang geltende Rechtslage bis zum 31.12.2020 weiter anzuwenden. Die Abgabe dieser Erklärung ist nur bis zum 31.12.2016 möglich, wurde bis dahin keine Erklärung abgegeben, gilt automatisch das neue Recht, ein Nachholen der Erklärung ist nicht möglich.

Wurde die Erklärung rechtzeitig abgegeben, kann sie jedoch zum 31.12. eines jeden Jahres widerrufen werden mit der Folge, dass ab dem nächsten 01.01. das neue Recht angewendet werden kann. Eine Rückkehr zur alten Rechtsanwendung ist auch dann nicht mehr möglich.

 

IV. Gründe für die Abgabe der Optionserklärung:

 

a) Auslegungsunsicherheiten:

 

Da das Gesetz mit vielen unbestimmten Rechtsbegriffen arbeitet und mit erläuternden Ausführungsschreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) voraussichtlich erst im Jahr 2018 zu rechnen ist, kann nach heutigem Stand nicht belastbar beurteilt werden, welche Sachverhalte zukünftig der Umsatzsteuer unterliegen und welche womöglich weiterhin ausgenommen sind.

 

Folgende Beispiele sollen die derzeitige Unsicherheit verdeutlichen:

 

Volkshochschule: Es könnte sein, dass aufgrund der neuen Gesetzeslage weniger Umsätze erfasst werden müssen, sofern Entgelte nur aufgrund einer Gebührensatzung erhoben werden.

 

Parkraumbewirtschaftung: Bislang unterlagen die Einnahmen aus Parkuhren/Parkscheinautomaten nicht der Umsatzsteuer. Aufgrund der neuen Gesetzeslage ist fraglich, ob insoweit eine mögliche Wettbewerbsverzerrung und damit eine Umsatzsteuerpflicht vorliegt.

 

Beistandsleistungen zwischen jPdÖR: Haben Kommunen bisher im Hoheitsbereich gegenseitige Unterstützungsleistungen erbracht und hierbei lediglich einen privatrechtlichen Vertrag geschlossen, lag keine Umsatzsteuerpflicht vor.

Nach neuer Gesetzeslage würden diese Leistungen der Umsatzsteuer unterliegen, sofern der Vertrag nicht durch eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung ersetzt wird und diese Leistungen im Wesentlichen nur an andere jPdÖR erfolgen.

 

b) Ermittlungsaufwand:

 

Die Gesetzesänderung macht es erforderlich

 

1. sämtliche privatrechtlichen Verträge der gesamten Stadtverwaltung zu erheben und

-       alle damit in Zusammenhang stehenden Erträge/Einzahlungen und Aufwendungen/Auszahlungen auf mögliche Umsatzsteuerpflichten bzw. Vorsteuerabzugsmöglichkeiten zu untersuchen,

-       je nach Ergebnis ggf. Möglichkeiten einer ersetzenden öffentlich-rechtlichen Regelung sowie

-       sonstige Änderungs- /Anpassungsbedarfe zu prüfen.

 

2. sämtliche öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen der gesamten Stadtverwaltung zu erheben und

-       auf mögliche Wettbewerbsverzerrungen, Wesentlichkeit und andere Kriterien zu überprüfen und

-       je nach Ergebnis anzupassen, damit sie keine Umsatzsteuerpflicht auslösen oder aber die entsprechenden Folgen daraus zu ziehen.

 

3. die derzeitigen Einstellungen des SAP-Systems daraufhin zu prüfen, ob die neuen Gegebenheiten ohne weiteres abgebildet werden können oder ob hier auch Anpassungsbedarf besteht.

 

V. Empfehlung:

 

Vor dem Hintergrund des enormen Ermittlungs- bzw. Umstellungsaufwandes und der Tatsache, dass es zu den neuen gesetzlichen Bestimmungen bislang weder Kommentierungen, Ausführungsbestimmungen oder gar Rechtsprechung gibt, empfiehlt die Verwaltung dringend, von der Optionsmöglichkeit Gebrauch zu machen.

 

Ein entsprechender Entwurf der Optionserklärung ist als Anlage beigefügt.

 

Nach derzeitigem Kenntnisstand ist keine Kommune bekannt, die nicht von der Möglichkeit der Option Gebrauch macht.

Begründung der einfachen Dringlichkeit:

 

Da die Optionserklärung dem Finanzamt bis spätestens 31.12.2016 nachweislich zugegangen sein muss, ist eine kurzfristige Beschlussfassung notwendig, um sicherzustellen, dass erforderliche Unterschrifts- und Postwege eingehalten werden können.