Betreff
Wohnbauflächen und weitere Förderungen für gemeinschaftliche Bauprojekte
- Bürgerantrag vom 22.03.2020
Vorlage
2020/3606
Aktenzeichen
011-12-11-lg
Art
Beschlussvorlage

 

Beschlussentwurf:

 

1. Der Ausschuss für Anregungen und Beschwerden nimmt zur Kenntnis, dass die Verwaltung auf den Engpass auf dem Leverkusener Wohnungsmarkt und die damit verbundenen Preissteigerungen von Wohnbauflächen aufgrund der demografischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen sowie auf den Wettbewerb zu anderen Nutzungen hinweist. Wie bereits im Wohnungsbauprogramm 2030+ beschrieben, soll daher grundsätzlich aufgrund der geringen Nachfrage auf zielgruppenspezifischen Wohnungsbau verzichtet werden. Die Verwaltung wird jedoch Spezialbedarfe und konkrete Investorenanfragen berücksichtigen und damit gemeinschaftlich genutzte Bau- sowie Wohnprojekte unterstützen.

 

2. Der Bürgerantrag wird in diesem Zusammenhang für erledigt erklärt.

 

 

gezeichnet:

Richrath

 

Begründung:

 

Mit Schreiben vom 22.03.2020 (siehe Anlage 1) beantragt der Petent, dass die Stadt Leverkusen im Zusammenhang mit dem Wohnungsbauprogramm 2030+ gemeinschaftlich genutzte Bau- sowie Wohnprojekte fördert.

 

Aus datenschutzrechtlichen Gründen können die personenbezogenen Daten des Originalantrags nicht mit abgedruckt werden. Sie sind zur weiteren Information der Mitglieder des Ausschusses für Anregungen und Beschwerden den Sitzungsunterlagen in der nichtöffentlichen Anlage 2 beigefügt.

 

Die Verwaltung nimmt zu dem Bürgerantrag wie folgt Stellung:

 

Die Bevölkerungszahl, die Anzahl der Ein- und Zwei-Personen-Haushalte sowie die Anzahl der Senioren in Leverkusen werden nach übereinstimmender Expertenmeinung weiter wachsen. Dadurch steigt der Flächenbedarf für Wohnbauflächen. Die unterschiedlichen Nutzungen wie Wohnen, Umwelt, Erholung, Gewerbe, Industrie, Freiraum, soziale Infrastrukturen sowie Verkehr und Einzelhandel stehen in einem direkten Wettbewerb um die vorhandenen Flächen. Dieser Wettbewerb führt zu massiven Engpässen und damit zu Preissteigerungen auf dem Wohnungsmarkt. Um das Wachstum der Stadt Leverkusen städtebaulich und gesellschaftlich verträglich zu steuern, wurde eine perspektivische Gesamtstrategie, das Wohnungsbauprogramm 2030+, durch die F+B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt GmbH aus Hamburg (F+B) erarbeitet.

 

Vor dem Hintergrund der demografischen Veränderungen ist der prognostizierte Bedarf an Bauflächen mit den momentan im Flächennutzungsplan (FNP) dargestellten Wohnbauflächen nicht zu decken. Deshalb wurde im Rahmen des Wohnungsbauprogramms 2030+ ein Flächenpool definiert. Es handelt sich hierbei um Flächen, die im FNP momentan als Freiraum, also landwirtschaftliche Fläche oder Grünfläche, gekennzeichnet sind und über ein förmliches FNP-Änderungsverfahren möglicherweise als Wohnbaufläche dargestellt und mittelfristig baulich entwickelt werden können. Diese Flächenauswahl wurde innerhalb der Verwaltung durch die verschiedenen Fachbereiche hinsichtlich einer prinzipiellen Eignung überschlägig überprüft und schließlich von den politischen Gremien kontrovers diskutiert.

 

Mit Vorlage Nr. 2019/3124 wurde Ende 2019 der Endbericht und damit das Wohnungsbauprogramm 2030+ als städtebauliches Entwicklungskonzept von den politischen Gremien zur Kenntnis genommen. Ein Beschluss der im Gutachten vorgeschlagenen Potenzialflächen für den Wohnungsbau wurde bislang nicht gefasst.

 

Im Endbericht des Wohnungsbauprogramms 2030+ werden in Kapitel 3 zentrale Handlungsfelder für die zukünftige Wohnungsmarktentwicklung in Leverkusen aufgezeigt und mögliche bauland- und wohnungspolitische Strategien und Instrumente für die Umsetzung dargestellt. Ab Seite 141 werden im Handlungsfeld Wohnungsbau Maßnahmen und kommunale Beratungsangebote für bestimmte Zielgruppen, unter anderem auch für gemeinschaftliche Wohnprojekte, beschrieben und bewertet.

 

Generell sind neue, innovative Wohnformen und gemeinschaftliche Wohnprojekte in Leverkusen zu begrüßen, da sie qualitative Impulse setzen könnten. Die Leverkusener Wohnungsgesellschaften nehmen auch Anregungen zu innovativen Wohnprojekten gerne an. Nach der Einschätzung des Gutachters von F+B soll die Stadt auf Spezialbedarfe und konkrete Investorenanfragen reagieren. Grundsätzlich jedoch bewertet der Gutachter, dass der Wohnungsneubau für bestimmte Zielgruppen in Leverkusen keine quantitative Breitenwirkung entfaltet. Die Nachfrage nach zielgruppenspezifischen Wohnungsangeboten ist zu gering. Ein Neubau für bestimmte Zielgruppen ist ein risikoreiches Vorgehen und der Bedarf muss zunächst über sorgfältige Marktanalysen festgestellt werden. Projekte für bestimmte Zielgruppen könnten sich als Modeerscheinungen oder auch als einseitig nutzbar herausstellen und würden zukünftig beispielsweise schwer zu vermieten/verkaufen sein. Darüber hinaus ist die Interessenlage potenzieller Investoren zu berücksichtigen, die die Nachfrage nach Spezialimmobilien bestens kennen.

 

Aufgrund ihrer Haushaltssituation war es der Stadt Leverkusen in der Vergangenheit nicht möglich, über ausreichend eigene Flächen zu verfügen bzw. diese nach Zwischenerwerb mit bestimmten Zielauflagen, wie beispielsweise zu neuen Wohnformen, wieder zu veräußern. Mit eigenen Flächen kann der Markt ein Stück weit gesteuert werden, auch städtische Ziele lassen sich einfacher umsetzen und konkrete Verabredungen können leichter mit der Wohnungswirtschaft getroffen werden.

 

Unter den gegebenen knappen personellen und finanziellen Rahmenbedingungen und entsprechend den Empfehlungen des Gutachters sollte der städtische, stadtplanerische Fokus deshalb nicht auf der Umsetzung des Wohnungsbaus für bestimmte Zielgruppen liegen, sondern auf anderen Maßnahmen und Instrumenten. Leverkusen braucht angesichts begrenzter Flächenreserven, einer besonderen geographischen Lage mit einem überdurchschnittlichen Anteil an Verkehrs- und Industrieflächen nicht auf der gesamten Klaviatur baupolitischer Instrumente zu spielen. Vorrangig sollten gemäß dem Wohnungsbauprogramm 2030+ (S. 162) folgende Maßnahmen verfolgt werden:

 

§  Digitalisierung des Verwaltungshandelns,

§  Gründung eines - wenn auch noch kleinen - städtischen Grundstücksfonds, der aktiv im Sinne der beschlossenen stadtentwicklungspolitischen Ziele gemanagt wird,

§  politischer Beschluss über zentrale wohnungspolitische Rahmenbedingungen der Stadt Leverkusen (Dichte, Art der Bebauung, Relation geförderter-/frei finanzierter Wohnungsbau etc.),

§  Lockerung möglicherweise überholter Vorgaben, z. B. bei der Stellplatzsatzung,

§  Aufstellung eines Zeit- und Meilensteinplanes bei den Wohnungspotenzialflächen, was wann mit diesen Flächen geschehen soll und welche Schritte wann eingeleitet werden,

§  Mut zum Austesten von gestalterischen Vorgaben, die möglichst einvernehmlich mit potenziellen Investoren und Bauherren beschlossen werden sollten, dann aber durchaus Signalwirkungen erzielen können.