- Bürgerantrag vom 22.03.2020
Beschlussentwurf:
1. Der Ausschuss für Anregungen und Beschwerden nimmt zur Kenntnis, dass die Verwaltung auf den Engpass auf dem Leverkusener Wohnungsmarkt und die damit verbundenen Preissteigerungen von Wohnbauflächen aufgrund der demografischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen sowie auf den Wettbewerb zu anderen Nutzungen hinweist. Wie bereits im Wohnungsbauprogramm 2030+ beschrieben, soll daher grundsätzlich aufgrund der geringen Nachfrage auf zielgruppenspezifischen Wohnungsbau verzichtet werden. Die Verwaltung wird jedoch Spezialbedarfe und konkrete Investorenanfragen berücksichtigen und damit gemeinschaftlich genutzte Bau- sowie Wohnprojekte unterstützen.
2. Der Bürgerantrag wird in diesem Zusammenhang für erledigt erklärt.
gezeichnet:
Richrath
Begründung:
Mit Schreiben vom 22.03.2020 (siehe Anlage 1) beantragt der Petent, dass die Stadt Leverkusen im Zusammenhang mit dem Wohnungsbauprogramm 2030+ gemeinschaftlich genutzte Bau- sowie Wohnprojekte fördert.
Aus datenschutzrechtlichen Gründen können die personenbezogenen Daten des Originalantrags nicht mit abgedruckt werden. Sie sind zur weiteren Information der Mitglieder des Ausschusses für Anregungen und Beschwerden den Sitzungsunterlagen in der nichtöffentlichen Anlage 2 beigefügt.
Die Verwaltung nimmt zu dem Bürgerantrag wie folgt Stellung:
Die
Bevölkerungszahl, die Anzahl der Ein- und Zwei-Personen-Haushalte sowie die Anzahl
der Senioren in Leverkusen werden nach übereinstimmender Expertenmeinung weiter
wachsen. Dadurch steigt der Flächenbedarf für Wohnbauflächen. Die unterschiedlichen
Nutzungen wie Wohnen, Umwelt, Erholung, Gewerbe, Industrie, Freiraum, soziale
Infrastrukturen sowie Verkehr und Einzelhandel stehen in einem direkten Wettbewerb
um die vorhandenen Flächen. Dieser Wettbewerb führt zu massiven Engpässen und
damit zu Preissteigerungen auf dem Wohnungsmarkt. Um das Wachstum der Stadt
Leverkusen städtebaulich und gesellschaftlich verträglich zu steuern, wurde
eine perspektivische Gesamtstrategie, das Wohnungsbauprogramm 2030+, durch die
F+B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt GmbH aus Hamburg
(F+B) erarbeitet.
Vor dem Hintergrund
der demografischen Veränderungen ist der prognostizierte Bedarf an Bauflächen
mit den momentan im Flächennutzungsplan (FNP) dargestellten Wohnbauflächen
nicht zu decken. Deshalb wurde im Rahmen des Wohnungsbauprogramms 2030+ ein
Flächenpool definiert. Es handelt sich hierbei um Flächen, die im FNP momentan
als Freiraum, also landwirtschaftliche Fläche oder Grünfläche, gekennzeichnet sind
und über ein förmliches FNP-Änderungsverfahren möglicherweise als Wohnbaufläche
dargestellt und mittelfristig baulich entwickelt werden können. Diese Flächenauswahl
wurde innerhalb der Verwaltung durch die verschiedenen Fachbereiche
hinsichtlich einer prinzipiellen Eignung überschlägig überprüft und schließlich
von den politischen Gremien kontrovers diskutiert.
Mit Vorlage Nr.
2019/3124 wurde Ende 2019 der Endbericht und damit das Wohnungsbauprogramm
2030+ als städtebauliches Entwicklungskonzept von den politischen Gremien zur
Kenntnis genommen. Ein Beschluss der im Gutachten vorgeschlagenen
Potenzialflächen für den Wohnungsbau wurde bislang nicht gefasst.
Im Endbericht des
Wohnungsbauprogramms 2030+ werden in Kapitel 3 zentrale Handlungsfelder für die
zukünftige Wohnungsmarktentwicklung in Leverkusen aufgezeigt und mögliche
bauland- und wohnungspolitische Strategien und Instrumente für die Umsetzung
dargestellt. Ab Seite 141 werden im Handlungsfeld Wohnungsbau Maßnahmen und
kommunale Beratungsangebote für bestimmte Zielgruppen, unter anderem auch für
gemeinschaftliche Wohnprojekte, beschrieben und bewertet.
Generell sind neue,
innovative Wohnformen und gemeinschaftliche Wohnprojekte in Leverkusen zu
begrüßen, da sie qualitative Impulse setzen könnten. Die Leverkusener
Wohnungsgesellschaften nehmen auch Anregungen zu innovativen Wohnprojekten
gerne an. Nach der Einschätzung des Gutachters von F+B soll die Stadt auf
Spezialbedarfe und konkrete Investorenanfragen reagieren. Grundsätzlich jedoch
bewertet der Gutachter, dass der Wohnungsneubau für bestimmte Zielgruppen in
Leverkusen keine quantitative Breitenwirkung entfaltet. Die Nachfrage nach
zielgruppenspezifischen Wohnungsangeboten ist zu gering. Ein Neubau für
bestimmte Zielgruppen ist ein risikoreiches Vorgehen und der Bedarf muss
zunächst über sorgfältige Marktanalysen festgestellt werden. Projekte für
bestimmte Zielgruppen könnten sich als Modeerscheinungen oder auch als
einseitig nutzbar herausstellen und würden zukünftig beispielsweise schwer zu vermieten/verkaufen
sein. Darüber hinaus ist die Interessenlage potenzieller Investoren zu
berücksichtigen, die die Nachfrage nach Spezialimmobilien bestens kennen.
Aufgrund ihrer
Haushaltssituation war es der Stadt Leverkusen in der Vergangenheit nicht möglich,
über ausreichend eigene Flächen zu verfügen bzw. diese nach Zwischenerwerb mit
bestimmten Zielauflagen, wie beispielsweise zu neuen Wohnformen, wieder zu
veräußern. Mit eigenen Flächen kann der Markt ein Stück weit gesteuert werden,
auch städtische Ziele lassen sich einfacher umsetzen und konkrete Verabredungen
können leichter mit der Wohnungswirtschaft getroffen werden.
Unter den gegebenen
knappen personellen und finanziellen Rahmenbedingungen und entsprechend den
Empfehlungen des Gutachters sollte der städtische, stadtplanerische Fokus
deshalb nicht auf der Umsetzung des Wohnungsbaus für bestimmte Zielgruppen
liegen, sondern auf anderen Maßnahmen und Instrumenten. Leverkusen braucht angesichts
begrenzter Flächenreserven, einer besonderen geographischen Lage mit einem
überdurchschnittlichen Anteil an Verkehrs- und Industrieflächen nicht auf der
gesamten Klaviatur baupolitischer Instrumente zu spielen. Vorrangig sollten
gemäß dem Wohnungsbauprogramm 2030+ (S. 162) folgende Maßnahmen verfolgt
werden:
§ Digitalisierung des Verwaltungshandelns,
§ Gründung eines - wenn auch noch kleinen - städtischen
Grundstücksfonds, der aktiv im Sinne der beschlossenen
stadtentwicklungspolitischen Ziele gemanagt wird,
§ politischer Beschluss über zentrale wohnungspolitische
Rahmenbedingungen der Stadt Leverkusen (Dichte, Art der Bebauung, Relation
geförderter-/frei finanzierter Wohnungsbau etc.),
§ Lockerung möglicherweise überholter Vorgaben, z. B. bei der
Stellplatzsatzung,
§ Aufstellung eines Zeit- und Meilensteinplanes bei den
Wohnungspotenzialflächen, was wann mit diesen Flächen geschehen soll und welche
Schritte wann eingeleitet werden,
§ Mut zum Austesten von gestalterischen Vorgaben, die möglichst
einvernehmlich mit potenziellen Investoren und Bauherren beschlossen werden sollten,
dann aber durchaus Signalwirkungen erzielen können.