Beschlussentwurf:
1. Der Rat der Stadt Leverkusen
bekräftigt seine Beschlüsse vom 28.04.2008 und vom 14.12.2009 und beauftragt
die Verwaltung, auf der Basis der in der Begründung dargestellten Eckpunkte die
Zulassung zum kommunalen Träger nach § 6a Abs. 2 SGB II n.F. mit Wirkung zum
01.01.2012 zu beantragen. Die Einrichtung trägt gemäß § 6 d SGB II n. F. die
Bezeichnung „Jobcenter“, wird jedoch in Leverkusen mit dem Zusatz AGL (Arbeit
und Grundsicherung Leverkusen) geführt, damit für die Bürgerinnen und Bürger
der Wiedererkennungswert erhalten bleibt. Die kommunale Trägerschaft wird in
der Organisationsform eingerichtet, die der Stadt größtmögliche
Einflussmöglichkeiten gewährleistet.
2. In die Trägerversammlung der zunächst noch für 2011 existierenden
gemeinsamen Einrichtung werden abweichend von § 44c Abs.1 S.3 SGB II n.F wie
bisher vier Vertreter der Stadt Leverkusen entsandt, hierbei bleibt es bei den
bereits am 26.10.2009 vom Rat bestimmten Personen.
gezeichnet:
Buchhorn Häusler Stein
Begründung:
1.
Entwicklung auf der Bundesebene
Nachdem seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 23.12.2007 lange
Zeit Unklarheit herrschte, welche Verwaltungsstrukturen für das SGB II („Hartz
IV“) zukünftig zulässig sein würden, konnte erfreulicherweise im Frühjahr ein
lange nicht mehr für möglich gehaltener bundespolitischer Kompromiss erreicht
werden. Dieser sieht sowohl die verfassungsrechtliche Absicherung der ARGEN als
auch die Verstetigung und Erhöhung der Zahl der Optionskommunen (auf max. 110)
vor. Die Kompromissfindung war deshalb so schwierig, weil eine solche Regelung
nur durch eine entsprechende Verfassungsänderung, die gem. Art 79 Abs. 2 GG
sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat einer 2/3-Mehrheit bedarf, möglich
ist. Der Bundesgesetzgeber hat dies
nunmehr verbindlich umgesetzt.
2.
Notwendige Grundsatzentscheidung: Kommunale Trägerschaft oder gemeinsame
Einrichtung
Der Gesetzgeber sieht ab 2011 als Regelstruktur die gemeinsame Einrichtung nach
§ 44b SGB II n.F. vor, die das Nachfolgemodell der bisherigen
Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II a.F. darstellt. Daneben soll für
bundesweit maximal 110 Städte und Landkreise stattdessen die Möglichkeit
bestehen, als kommunaler Träger nach § 6a Abs. 2 SGB II n.F. zugelassen zu
werden, was wiederum das Nachfolgemodell zur bisherigen kommunalen Option nach
§ 6a SGB II a.F. darstellt. Die heute in einigen Kommunen existierende
getrennte Aufgabenwahrnehmung (weil man sich dort weder auf eine
Arbeitsgemeinschaft einigen konnte noch einen Optionsantrag stellte) wird es
nach dem 01.01.2011 nicht mehr geben. Vielmehr ist die gesetzliche Konstruktion
so, dass bis auf die Kommunen, die heute schon als Optionskommune eigenständig
agieren, zunächst für alle Städte und Landkreise ab dem 01.01.2011 eine gemeinsame
Einrichtung zu installieren ist, auch wenn die vollständige kommunale
Aufgabenübernahme als kommunale Einrichtung ab 2012 angestrebt wird. Eine
Ausnahme ist nur für die – sehr wenigen - Kommunen vorgesehen, die bisher in
getrennter Aufgabenwahrnehmung organisiert waren und zukünftig die kommunale
Trägerschaft anstreben.
Für die
Stadt Leverkusen bedeutet dies, dass
-
für 2010 die operative
Fortsetzung der AGL als ARGE nach § 44b SGB II a.F. sichergestellt werden muss
-
für 2011 eine
gemeinsame Einrichtung nach § 44b SGB II n.F. installiert werden muss
-
für 2012 ff die Frage
entschieden werden muss, ob eine kommunale Trägerschaft nach § 6a Abs. 2 SGB II
n.F. beantragt wird.
-
(letzteres auf der
Grundlage der bisherigen Beschlusslage des Rates unterstellt) ein Erfolg
versprechender Antrag auf Zulassung als kommunaler Träger erarbeitet werden
muss.
Für die
Fortführung der AGL in 2010 in den derzeit existierenden Strukturen und die
Installation einer gemeinsamen Einrichtung in 2011 (die kraft Gesetzes eintritt)
sind keine grundsätzlichen Entscheidungsnotwendigkeiten für den Rat gegeben.
Die hierfür erforderlichen Festlegungen liegen im Zuständigkeitsbereich der
Trägerversammlung der AGL. Einzige Ausnahme ist der im Beschlussvorschlag unter
2. aufgeführte Beschluss, die Mitgliederzahl der Trägerversammlung wie bisher
auf je 4 Vertreter von Kommune und Bundesagentur für Arbeit festzulegen (nach §
44 c Abs. 1 S.3 SGB II n.F. sind es „in der Regel“ nur jeweils drei Vertreter).
Dies ist im Sinne einer strukturellen und personellen Kontinuität für 2011
sinnvoll. Die Bundesagentur für Arbeit hat ihre Zustimmung hierzu bereits
erklärt.
Notwendig
ist demgegenüber eine Grundsatzentscheidung des Rates, dass die bisherige
Beschlusslage, die eine Übernahme der Gesamtzuständigkeit durch die Stadt
Leverkusen vorsieht, konsequenterweise dadurch umgesetzt wird, dass nunmehr ein
Antrag auf Zulassung als kommunaler Träger nach § 6a SGB II n.F. gestellt wird.
Nach § 6a Abs. 2 S.3 SGB II n.F. bedarf ein solcher Beschluss einer
2/3-Mehrheit des Rates.
Die
Verwaltung schlägt dem Rat aus den nachfolgend dargestellten Gründen vor, einen
solchen Beschluss zu fassen.
2.1.
Politische Bewertung:
Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit
als Teil der kommunalen
Daseinsvorsorge
Über
viele Jahrzehnte war es überwiegende kommunale Position, dass die Bekämpfung
der Langzeitarbeitslosigkeit keine kommunale Aufgabe sei. Dies sei eine
gesamtstaatliche Aufgabenstellung, für deren Umsetzung in aller Regel sowohl
finanziell als auch organisatorisch die Bundesagentur für Arbeit (früher
Bundesanstalt für Arbeit) zuständig ist. Diese Grundposition war zu Zeiten
guter Konjunkturlage und faktischer Vollbeschäftigung durchaus nachvollziehbar.
Seit den 80-iger Jahren jedoch haben sich Quantität und Struktur der
Langzeitarbeitslosigkeit grundlegend verändert. Aus einem nur vereinzelt
auftretenden Problem wurde ein Massenphänomen, das mit den zentralistischen
Strukturen der Arbeitsverwaltung nicht erfolgreich zu bewältigen ist.
Den
komplexen und individuell sehr unterschiedlich gelagerten Ursachen und
biografischen Hintergründen von Langzeitarbeitslosigkeit kann nur vor Ort durch
intensive Betreuung und Qualifizierung, basierend auf einer detaillierten
Kenntnis der örtlichen wirtschaftlichen Strukturen und Potentiale, begegnet
werden. Aus einem ursprünglich nur vereinzelt auftretenden Problem ist eine
Aufgabe der Daseinsvorsorge geworden. Daseinsvorsorge bedeutet in diesem
Zusammenhang nicht nur, für Alimentation zu sorgen (das könnte auch eine große
Bundesbehörde), sondern darüber hinaus für die einzelne Person den richtigen
Weg aus der Langzeitarbeitslosigkeit zu finden. Dies ist ein wesentlicher
Baustein der sich aus dem aktuellen Sozialbericht für die Stadt Leverkusen
(Vorlage 0406/2010) ergebenden
sozialpolitischen Gesamtstrategie.
Das
darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich hierbei um eine sehr
anspruchsvolle und schwierige Aufgabe handelt, die nicht in jedem Einzelfall
erfolgreich zu bewältigen ist. Nicht jeder und jedem kann so geholfen werden,
dass eine Unabhängigkeit von Sozialleistungen vollständig erreicht werden kann.
Nur darf dies aus Sicht der Verwaltung keinesfalls bedeuten, dass die Kommunen
deshalb die Verantwortung für diese Aufgabe ablehnen, weil sie unbequem und
schwierig sein kann. Im Gegenteil ist gerade bei solchen Aufgabenstellungen die
Kommune gefragt und sollte nicht der Versuchung erliegen, die Verantwortung bei
anderen staatlichen Ebenen abzugeben. Es ist gesellschaftspolitisch ein großer
Unterschied, ob eine anonyme Großbehörde „Arbeitsamt“ oder aber die konkret
fassbare eigene Stadt für die Betreuung der Langzeitarbeitslosen verantwortlich
ist. Dadurch wird die Debatte über die richtigen örtlichen Strategien zur
Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit auf die greifbare und transparente
kommunale Ebene verlagert und wird – zu Recht – zu einem kommunalpolitischen
Thema.
Damit
kann endlich ein seit langem massiv kritisiertes Defizit beseitigt werden, das
bisher darin bestand, dass die Arbeitsmarktpolitik im Rahmen des SGB II zentralistisch durch das Bundesministerium
für Arbeit und Soziales und die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in
Nürnberg gestaltet und gesteuert wurde. Während auch zukünftig bei der
gemeinsamen Einrichtung die Steuerung der arbeitsmarktpolitschen Aktivitäten
letztlich dem Bund vorbehalten bleibt, liegt sie bei der kommunalen
Trägerschaft bei der Kommune, die entsprechende Zielvereinbarungen mit dem Land
abzuschließen hat.
Die
Entscheidung über Aufbau- und Ablauforganisation liegt bei der kommunalen
Trägerschaft vollständig in kommunaler Hand. Auch dies ist eine erhebliche
Verbesserung.
2.2. Fiskalische Bewertung: Keine unvertretbaren Kostenfolgen
Sprechen
daher grundsätzliche und fachliche politische Aspekte eindeutig für die
kommunale Aufgabenträgerschaft, so stellt sich dennoch die Frage, ob die
konkreten Regelungen im SGB II n.F. es auch einer Nothaushaltskommune wie
Leverkusen erlauben, diese verantwortbar zu übernehmen.
Die
derzeitige Finanzausstattung der AGL stellt sich wie folgt dar:
Verwaltungskostenanteil Bund: 7,8
Mio Euro
Verwaltungskostenanteil
Stadt: 1,4 Mio Euro
Gesamt 9,2 Mio Euro
Eingliederungshaushalt
Bund: 14,0
Mio Euro
Passive
Leistungen Bund: 34,7 Mio Euro
Sozialversicherungsbeiträge
Bund 14,8 Mio Euro
Passive
Leistungen Stadt Leverkusen 35,3
Mio Euro
(Kosten
der Unterkunft)
* Hochrechnung für Haushaltsjahr 2010
- Zusammenhang Finanzierungs- und Organisationsstrukturen
Hierzu ist zunächst festzustellen, dass
die Finanzierungsverantwortlichkeit für die Aufgaben des SGB II unabhängig von
den Strukturen der Aufgabenträgerschaft ist. Sowohl bei der gemeinsamen
Einrichtung als auch bei der kommunalen Trägerschaft ist der Bund zuständig für
die Finanzierung des Arbeitslosengeldes 2 (Alg II) und der aktiven
Arbeitsmarktmaßnahmen. Die Kommune trägt die Kosten der Unterkunft und der
sozialintegrativen Angebote wie z.B. Schulderberatung, Suchtberatung,
psycho-soziale Betreuung etc. Die Kosten für die Infrastruktur tragen Bund und
Kommune nach § 46 Abs. 3 S. 1 i. V. mit § 6b Abs. 2 SGB II n.F. im gesetzlich
vorgegebenen Verteilungsschlüssel von 12,6% (Kommune)./. 87,4% (Bund).
Daraus resultiert, dass die
Entscheidung über die Zulassung zur Optionskommune keinen Einfluss auf die
Finanzierungsstrukturen des Bundes hat. Der Finanzierungsschlüssel bleibt bei
12,6 % für die Kommune und 87,4 % für den Bund.
- Interessenlage hinsichtlich der Reduzierung passiver
Leistungen
Aufgrund der unterschiedlichen Finanzierungszuständigkeiten besteht beim Bund
das fiskalische Interesse an der Reduzierung des Alg II und der Mittel für
aktive Arbeitsmarktpolitik, während das fiskalische Interesse der Kommunen an
der Reduzierung der Kosten der Unterkunft liegt. Dies wird dadurch verstärkt,
dass Einkommen der Langzeitarbeitslosen zunächst auf die Bundes- und erst
nachrangig auf die kommunalen Leistungen angerechnet werden.
Wenn
beispielsweise verstärkt die Aufnahme geringfügiger Beschäftigung oder von
nicht hinreichend vergüteter Beschäftigung angestrebt wird, können die
Zahlungsverpflichtungen des Bundes durchaus ganz oder teilweise wegfallen,
nicht aber die der Kommune (insb. bei den sog. „Aufstockerfällen“). In der
gemeinsamen Trägerschaft hat die Kommune keinen verbindlichen Einfluss auf die
Gesamtstrategie in der Arbeitsmarktpolitik. Daraus ergibt sich die große
Gefahr, dass letztlich die Interessen des Bundes durchgesetzt werden und die
Kostenbelastung der Kommune überproportional steigt. Deshalb hat die Stadt nicht
nur die sozial- und arbeitsmarktpolitische Verantwortung, sondern auch ein
vitales finanzpolitisches Interesse an der Alleinzuständigkeit für die
Umsetzung des SGB II. Ansonsten droht den Kommunen das Schicksal einer
weitgehend einflusslosen Zahlstelle für die Unterkunftskosten.
- Keine Vorschussleistungen der Kommune
Soweit die Leistungen in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fallen, müssen
sie nicht von der Stadt vorfinanziert werden, vielmehr wird nach § 44f Abs. 1
i. V. mit § 6b Abs.1 SGB II n.F.
unmittelbar in den Bundeshaushalt gebucht.
- Anschubfinanzierung
Eine
grundsätzliche Anschubfinanzierung wie bei der Einführung des SGB II im Jahr
2005 ist für die Optionskommunen (150 € je Bedarfsgemeinschaft) durch die
gesetzlichen Regelungen nicht vorgesehen.
Inwieweit
die vorhandene - bereits durch SGB II Mittel finanzierte - Sachausstattung
übernommen werden kann und soll, ist noch nicht geklärt.
Der Bund reduziert jedes Jahr bundesweit die auf der
Grundlage der Eingliederungsmittelverordnung zugeteilten Mittel für
Verwaltungskosten der einzelnen Arbeitsgemeinschaften (ARGEN) vorab um einen
jährlich neu festgelegten Betrag. Im Jahre 2010 lag dieser Betrag bundesweit
bei 16,2 Millionen Euro. Diese Mittel werden für Leistungen einbehalten, die
der Bund für die ARGEN erbringt. Der pauschale Abzug ermöglicht den
Arbeitsgemeinschaften keine Zuordnung, der für sie erbrachten Dienstleistungen
und deren Kosten Bei der Zulassung zur Optionskommune wird dieser Mittelabzug
nicht mehr zum Tragen kommen, so dass der Verwaltungskostenanteil um diesen
prozentualen Betrag steigen wird. Da die Höhe der Mittel für 2012 noch nicht
feststeht und auch nicht im Voraus kalkuliert werden kann, sind belastbare
Zahlen derzeit nicht darstellbar.
Da
die Organisationsstruktur der AGL (Personal, Infrastruktur) bei der Übernahme
der Trägerschaft in die kommunale Verantwortung in weiten Teilen erhalten
bleibt, fallen die Umstellungskosten weitaus geringer aus als im Jahr 2005. Die
Umstellungskosten bei der Einführung der Optionskommunen im Jahr 2005 betrugen
nach Angaben des Deutschen Landkreistages ca. 10 % des jeweiligen
Verwaltungshaushaltes des Grundsicherungsträgers.
Die
entstehenden Kosten werden über den vom Bund über die
Eingliederungsmittel-Verordnung zugeteilten Verwaltungshaushalt (7,8 Mio. € in
2010) mit dem zugelassenen kommunalen Träger abgerechnet. Der
Verwaltungshaushalt setzt sich aus 87,4 % Bundesmittel und 12,6 % kommunalen
Mitteln zusammen. Die heute bereits bestehenden Optionskommunen beschreiben die
ihnen zugeteilten Verwaltungsmittel als komfortabel auskömmlich unter der
Voraussetzung, dass bei den Personalkosten nach tariflichen Vorgaben und bei
der Bewirtschaftung von Liegenschafts- und Sachkosten einschließlich
IT-Ausstattung nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit
gearbeitet wird.
Für den
Fall, dass im Zuge der Umstellung der gemeinsamen Einrichtung auf die
zugelassene kommunale Einrichtung im Rahmen der laufenden kalenderjährlichen
Haushaltsbewirtschaftung zusätzliche einmalige Kosten entstehen sollten, die
sich nicht aus dem verfügbaren Verwaltungsbudget finanzieren lassen, besteht
die Möglichkeit der Deckungsfähigkeit des Verwaltungshaushaltes mit dem Budget
für Eingliederungsleistungen.
-
Potentiell kostensteigernde Faktoren
Nicht verschwiegen werden sollen folgende
- aus Sicht der Verwaltung aber zu beherrschende – potentiell kostensteigernde
Faktoren:
-- Zum
einen steht es jeder Kommune, die die eigene Trägerschaft übernommen hat, frei,
aus eigenen Mitteln weitere, über die bundesseitig finanzierten hinausgehende
Arbeitsmarktmaßnahmen zu realisieren. Dies kann in Kommunen, die solche
finanziellen Handlungsspielräume haben, zu – politisch gewollten – Mehrkosten
führen. In einer Nothaushaltskommune wie Leverkusen wäre dies jedoch bereits
nach § 82 GO NRW unzulässig, so dass sich dieses Risiko nur in Städten mit
finanziellen Spielräumen realisieren kann.
-- Weiterhin
hat der Gesetzgeber in § 6 Abs. 4 und 5
SGB II n.F. eine spezialgesetzliche Rückforderungsvorschrift eingeführt, die
mit einem völlig ungewöhnlichen Zinssatz von 3 % über dem Basiszinssatz
verbunden wird. Diese Vorschrift greift dann ein, wenn Bundesmittel nicht rechtmäßig
verwendet werden. Sie wurde im Gesetzgebungsverfahren durch die kommunalen
Spitzenverbände heftig kritisiert, aber dennoch beschlossen. Dies kann aber
nach Ansicht der Verwaltung kein Argument gegen die Übernahme der kommunalen
Trägerschaft sein, sondern muss Anlass zur Realisierung leistungsfähiger
Controlling- und Steuerungsinstrumente sein.
2.3.
Personalwirtschaftliche Bewertung
Mit der
Zulassung als kommunaler Träger gehen kraft Gesetzes die
Beschäftigungsverhältnisse der mindestens 24 Monate in der AGL eingesetzten
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit auf die Stadt
Leverkusen über. Für max. 10% kann die Stadt Leverkusen die Übernahme
zurückweisen. Nach Einschätzung der Verwaltung ist diese Personalübernahme zur
Sicherung der Arbeitsfähigkeit notwendig und sinnvoll. Die bislang über die JSL
eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können individualvertraglich
eingestellt werden. Für alle Beschäftigten gilt der oben beschriebene Kostenschlüssel,
so dass die Stadt Leverkusen unverändert 12,6% der Personalkosten zu tragen
haben wird.
Damit
werden auch die aus der differenzierten Dienstherrenstruktur der Vergangenheit
resultierenden Probleme (mehrere Personalräte, unterschiedliche Tarifverträge
und Betriebsvereinbarungen für die jeweiligen Beschäftigtengruppen etc)
beseitigt.
Die derzeitigen Mitarbeiterzahlen setzen sich wie folgt zusammen:
Arbeitsplätze: Stellen:
Stadt Leverkusen : 41 35,94
Agentur
für Arbeit: 73 70,88
JSL: 48 47,28
Amtshilfekräfte: 6 5,50
unbesetzt: 11
Nach § 6 c Abs. 3 SGB II n. F. sind ab dem
Zeitpunkt des Personalübertritts ausschließlich die für die Arbeitnehmer des
neuen Trägers geltenden Tarifverträge anzuwenden.
Es ist jedoch davon auszugehen, dass den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesagentur für Arbeit (BA), die
aktuell nach dem Haustarif der BA höhere Bezüge erhalten, als vergleichbare
kommunale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach dem TVöD, im Wege der
Besitzstandswahrung eine Ausgleichszahlung in Höhe des Unterschiedsbetrages zu
zahlen ist.
Die Übernahme der Arbeitnehmer der Bundesagentur gem.
§ 6 c Abs. 1 SGB II n.F: in den kommunalen Dienst, führt dennoch nicht zu einer
Personalkostensteigerung,
da sich der kommunale Finanzierungsanteil weder in
seiner prozentualen noch in seiner absoluten Höhe verändert.
Die Stadt Leverkusen hat bereits jetzt 12,6 % der
Verwaltungskosten, in denen die höheren Personalkosten für Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der BA enthalten sind, zu tragen und muss dies in gleicher Höhe
nach Übernahme der Arbeitnehmer in den kommunalen Dienst tun.
Des Weiteren werden durch die Umstellung
keine Höhergruppierungen bzw. Beförderungen ausgelöst, da sich die bestehenden
Eingruppierungen / Stellenbewertungen der BA und der Stadt Leverkusen nicht
unterscheiden.
Versorgungslasten kommen auf die Stadt nur hinsichtlich
der in der AGL beschäftigten Beamten der BA zu. Derzeit sind sieben Beamte der
BA bei der AGL beschäftigt. Nach § 6 Abs. 3 SGB II i. V. mit § 107b BVersG
trägt die Stadt Leverkusen die Versorgungsansprüche für die Zeit ab der
Übernahme in den Dienst der Stadt Leverkusen, für die bis dahin entstanden
Ruhegehaltsansprüche ist der Bund im Innenverhältnis zu Stadt kostentragungspflichtig.
Die Auszahlung erfolgt durch die Stadt.
Nach den allgemeinen
Vorschriften sind Pensionsrückstellungen zu bilden, die für die Zeit bis zum
Wechsel des Dienstherrn vollständig in die Sphäre der BA fallen und für die
Zeit danach nach dem allgemeinen Kostenteilungsschlüssel zu 87,4 % vom Bund und
zu 12,6% von der Stadt zu tragen sind. Auch hier sind die
Pensionsrückstellungen für sieben Beamte der BA zu bilden, so dass die Problematik
von untergeordneter fiskalischer Dimension ist.
2.4.
Räumliche Unterbringung
Die AGL
ist derzeit an drei Standorten untergebracht:
-
Heinrich-von-Stephan-Straße
6a (ehem. GAMAX-Gebäude), 60 MA
-
Heinrich-von-Stephan-Straße
18 (ehem. AA-Gebäude). 87 MA
-
Gustav-Heinemann-Str.
3, 23 MA
Alle
Mietverhältnisse sind derzeit unbefristet, können also bei Bedarf ohne weitere
Verhandlungen und evtl. Zahlungsstreitigkeiten im Rahmen der gesetzlichen
Kündigungsfristen beendet werden. Dies ist deshalb von großem Vorteil, weil
damit die Option für eine wünschenswerte gemeinsame Unterbringung aller
Bereiche der AGL offen gehalten wird. Ob und wann sich eine solche Option
realisieren lässt, hängt von der grundsätzlichen städtebaulichen Entwicklung ab
und kann derzeit nicht belastbar prognostiziert werden. Aus Sicht der Verwaltung
wäre eine zentrale gemeinsame Unterbringung in Wiesdorf sehr wünschenswert und
sollte in die weiteren Überlegungen für die Stadtmitte aufgenommen werden. Die
Kosten für die räumliche Unterbringung werden auch nach dem Kostenschlüssel
12,6 % Stadt und 87,4 % Bund verteilt.
2.5.
EDV
Die Organisationshoheit einschließlich der Auswahl und Gestaltung
der IT- Infrastruktur liegt bei kommunaler Trägerschaft vollständig in
städtischer Hand. Dies führt zu einer eigenen Entscheidungsfreiheit – auch im
Bereich der IT- Ausstattung - bei der
eigene Vorstellungen zum Leistungsumfang verfolgt und Anforderungen an die
technische Umsetzung definiert werden können.
Eine leistungsfähige IT – für die Leistungsgewährung ebenso wie
für den Integrationsbereich – ist die
Grundlage der Aufgabenwahrnehmung im SGB II. Durch die bestehenden
Optionskommunen existieren bereits mehrere leistungsfähige Produkte, die den
jeweiligen unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden und auch die
erforderlichen Schnittstellen für die bundesweiten statistischen Auswertungen
beinhalten. Die entstehenden Kosten
werden auch nach dem Schlüssel 12, 6 % Stadt und 87,4 % Bund aufgeteilt.
Auch können hier weitere Synergieeffekte genutzt werden, wenn
bestehende Verträge der Stadt Leverkusen mit IT-Herstellern in anderen
Fachbereichen (z.B. Fachbereich Soziales) erweitert werden. Dies bietet
erstmals die Möglichkeit, alle sozialfachlichen Aspekte, insbesondere auch das
eng mit dem SGB II verflochtene SGB XII, in einer einheitlichen Software abzubilden.
2.6.
Rechtsformwahl
Nach §
6b Abs. 5 SGB II n.F. setzt der Gesetzgeber voraus, dass die Kommune eine
besondere Einrichtung vorsieht und die kommunale Trägerschaft vom allgemeinen
Haushalt und Stellenplan separiert. Dies ist angesichts der finanziellen und
personellen Auswirkungen für die Bundesseite nachvollziehbar. MAIS NRW und IM
NRW vertreten einvernehmlich die Rechtsposition, dass nach derzeitiger
Rechtslage die AöR nicht als zulässige Rechtsform zur Verfügung steht. Die GmbH
scheidet schon deshalb aus, weil sie keine Hoheitsakte erlassen kann. Somit
kommt nach derzeitiger Rechtslage nur die Organisation als Teil der
Stadtverwaltung in Betracht.
Aus
Sicht der Verwaltung ist der zentrale Aspekt bei der Wahl der Organisationsform
der kommunalen Trägerschaft die Gewährleistung intensiven kommunalen Einflusses
sowohl auf die strategische Gestaltung als auch auf die operative Steuerung der
Umsetzung des SGB II. Wenn sich die Stadt wie dargelegt im Rahmen der
kommunalen Daseinsvorsorge der schwierigen Aufgabe der Vermeidung bzw.
Reduzierung von Langzeitarbeitslosigkeit stellt, darf sie sich nicht durch eine
ungeeignete Rechtsform der dafür notwendigen Einfluss- und
Steuerungsmöglichkeiten berauben.
Die
zuständigen Ministerien und die kommunalen Spitzenverbände werden über die
damit verbundenen Rechtsfragen noch im dritteln Quartal 2010 verhandeln. Ob es
dabei allerdings zu einer Öffnung des AG SGB II NRW für Organisationsformen
außerhalb der Kernverwaltung kommt, ist nicht sicher prognostizierbar. Über den
weiteren Verlauf wird die Verwaltung ergänzend berichten.
3.
Weiteres Verfahren
Das
weitere Verfahren zur Zulassung als kommunaler Träger ist wie folgt
ausgestaltet:
Die Zulassung erfolgt letztlich durch das Bundesministerium für Arbeit und
Soziales. Da es nur für maximal 41
hinzukommende Kommunen eine Zulassung geben kann, ist zunächst die auf jedes
Bundesland entfallende Gesamtquote zwischen den Bundesländern einvernehmlich
festzulegen. Das Land meldet dann dem Bund die antragstellenden Kommunen aus
dem jeweiligen Bundesland, und zwar in der Reihenfolge eines landesbezogenen
Rankings. Diese wird erstellt, indem die mit den Anträgen einzureichenden
kommunalen Eignungskonzepte durch das Land anhand einer detaillierten
Bewertungsmatrix bewertet werden.
Die
hierbei relevanten Aspekte sind in der Rechtsverordnung über das Verfahren zur
Feststellung der Eignung als zugelassener kommunaler Träger konkretisiert.
Besonders wichtige Eignungskriterien sind
-- infrastrukturelle Voraussetzungen
--
Personalqualifizierung
--
Aktenführung und Rechnungslegung
--
bestehende und geplante Verwaltungskooperation sowie
Kooperationen mit Dritten.
Die
Verwaltung ist der Überzeugung, dass die Stadt Leverkusen in besonderer Weise
diese Eignungskriterien erfüllt. Die positiven Erfahrungen der zurückliegenden
fünf Jahre und die durch die AGL stets erreichten Spitzenplätze im bundesweiten
Ranking der ARGEN nach § 44b SGB II a.F. belegen, dass in Leverkusen alle
Voraussetzungen gegeben sind, um eine erfolgreiche kommunale Trägerschaft zu
realisieren.
Schnellübersicht über die
finanziellen Auswirkungen der Vorlage Nr. 0638/2010
Beschluss des
Finanzausschusses vom 01.02.2010 und Auflage der Kommunalaufsicht vom
26.07.2010
Beig. Frank Stein / Dez. III /
0214 – 406 – 88 30………………………………………..
Kurzbeschreibung
der Maßnahme und Angaben, ob die Maßnahme durch die Rahmenvorgaben des Leitfadens
des Innenministers zum Nothaushaltsrecht abgedeckt ist.
(Angaben
zu § 82 GO NRW, Einordnung investiver Maßnahmen in Prioritätenliste etc.)
Es handelt sich um eine Pflichtaufgabe nach § 82 GO NRW. Das Innenministerium NRW hat auf Anfrage erklärt, die Zulassung als kommunaler Träger nicht vom haushaltswirtschaftlichen Status der antragstellenden Stadt abhängig zu machen.
A) Etatisiert unter Finanzstelle(n) / Produkt(e)/ Produktgruppe(n):
(Etatisierung im laufenden Haushalt und mittelfristiger
Finanzplanung)
Die Etatisierung erfolgt nach Zulassung als kommunaler Träger erstmals im Haushaltsjahr 2012. Die näheren Modalitäten der Veranschlagung hängen von der erst zu einem späteren Zeitpunkt möglichen Wahl der konkreten Rechtsform der kommunalen Trägerschaft ab.
B) Finanzielle Auswirkungen im Jahr der Umsetzung:
(z. B. Personalkosten,
Abschreibungen, Zinswirkungen, Sachkosten etc.)
Da die Kostenverteilung Bund 87,4 % / Stadt 12,6 % fortgeschrieben wird und unabhängig von der Zulassung als kommunaler Träger ist, ist die Strukturentscheidung als solche budgetneutral. Ziel ist es, die Haushaltsbelastung bei den Unterkunftskosten nach SGB II zu reduzieren. Hierzu werden in 2011 entsprechende Zielvereinbarungen erarbeitet.
C) Finanzielle Folgeauswirkungen
ab dem Folgejahr der Umsetzung:
(überschlägige Darstellung
pro Jahr)
Siehe Begründung zu B
D) Besonderheiten (ggf. unter Hinweis auf die Begründung
zur Vorlage):
(z. B.: Inanspruchnahme aus
Rückstellungen, Refinanzierung über Gebühren, unsichere Zuschusssituation,
Genehmigung der Aufsicht, Überschreitung der Haushaltsansätze, steuerliche
Auswirkungen, Anlagen im Bau, Auswirkungen auf den Gesamtabschluss)
Aufgrund des komplexen Sachzusammenhanges wird auf die Begründung der Vorlage verwiesen.
Begründung der einfachen Dringlichkeit:
Aufgrund der erst im Sommer vorgelegten Gesetzesgrundlagen und den daraus resultierenden Abstimmungen mit den Fachbereichen der Stadtverwaltung Leverkusen konnte eine frühere Erstellung der Vorlage nicht vorgenommen werden.
Eine Entscheidung im Oktober 2010 zur Zustimmung des Antrages ist Voraussetzungen für die Beantragung als Zulassung als kommunaler Träger.