- Vorstellung
Kenntnisnahme:
Der Rat nimmt die Ergebnisse des technischen Gutachtens (ermittelte angemessene Abstände) und des konzeptionellen Gutachtenteils des gesamtstädtischen Seveso-II-Konzeptes sowie die weitere Vorgehensweise zur Kenntnis.
Gezeichnet:
In Vertretung:
Buchhorn Deppe
Begründung:
Hintergrund
Die Stadt Leverkusen ist ein klassischer Chemie- und Wohnstandort. Ein Mit- und Nebeneinander von verschiedensten städtischen Nutzungen und Industrie auf engstem Raum haben eine jahrzehntelange Tradition. Eine solche städtebauliche Entwicklung wäre nach heutigem Stand der Technik nicht mehr denkbar. Das europäische Recht in Form der Richtlinie 96/82/EG zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen (Seveso-II-Richtlinie) formuliert ein grundsätzliches Abstandsgebot zwischen Störfallbetrieben und schutzbedürftigen Nutzungen (insbesondere Wohngebieten) und nimmt damit Einfluss auf die Bauleitplanung. Hinter dem Abstandsgebot steht der Gedanke der Sicherheitsvorsorge.
Nach Art. 12 Seveso-II-Richtlinie müssen neue
Entwicklungen von schutzbedürftigen Nutzungen in der Nachbarschaft bestehender
Störfallbetriebe überwacht werden, wenn diese das Risiko eines schweren Unfalls
vergrößern oder die Folgen eines solchen Unfalls verschlimmern können.
Langfristig soll daher zwischen schutzbedürftigen Gebieten und
Störfallbetrieben ein angemessener Abstand eingehalten werden. Art. 12
Seveso-II-Richtlinie wurde in Deutschland bislang u. a. durch § 50 Bundes-Immissionsschutzgesetz
(BImSchG) umgesetzt, der insbesondere in der Bauleitplanung die Berücksichtigung
angemessener Abstände fordert.
Sowohl Art. 12 Seveso-II-Richtlinie und § 50 BImSchG als auch die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) sind nur im Hinblick auf neu geplante Bauvorhaben und neue Genehmigungen anwendbar, aber nicht bei bereits bestehenden schutzbedürftigen Nutzungen.
Ausgangspunkt für das gesamtstädtische
Seveso-II-Konzept war das EuGH-Urteil vom 15.09.2011, wonach die
Seveso-II-Richtlinie in Deutschland nicht ausreichend umgesetzt und daher nicht
nur in der Bauleitplanung sondern auch im Baugenehmigungsverfahren zu beachten
ist.
Für die Stadt Leverkusen resultierte aus dem EuGH-Urteil
aufgrund der gewachsenen Gemengelage mit dem Mit- und Nebeneinander von
Industrie und sensiblen/ schutzbedürftigen Nutzungen eine Vielzahl notwendig
gewordener Einzelfallbetrachtungen für Bauvorhaben innerhalb der durch die
Störfallbetriebe ausgelösten pauschalen Achtungsabstände. Achtungsabstände sind
Abstandsempfehlungen für die Bauleitplanung ohne Detailkenntnisse, also ohne
weitergehende Informationen zu Stoffen oder Sicherheitsmaßnahmen, gemäß dem
Leitfaden „Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der
Störfall-Verordnung von schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung
– Umsetzung § 50 BImSchG“ (Leitfaden KAS-18) der Kommission für
Anlagensicherheit. Für die in Leverkusen ansässigen Störfallbetriebe bzw.
Betriebsbereiche wurden zunächst Achtungsabstände von 1.500 m (Abstandsklasse
IV des Leitfadens KAS-18) angenommen, was zur Folge hatte, dass große Teile des
Stadtgebietes innerhalb dieser Abstände lagen.
Wird durch ein neues (schutzbedürftiges)
Bauvorhaben der Achtungsabstand eines Störfallbetriebs unterschritten, so ist
in einer Einzelfallbetrachtung zu ermitteln, welcher Abstand im konkreten
Einzelfall angemessen ist. Dies geschieht in der Regel durch einen nach
§ 29a BImSchG anerkannten Sachverständigen.
Gesamtstädtisches Seveso-II-Konzept
Um nicht für jede Baumaßnahme eine
Einzelfallbetrachtung vornehmen zu müssen, hat sich die Stadt auf Empfehlung
der Bezirksregierung Köln bereits 2012 dazu entschieden, ein allgemeingültiges
städtisches Konzept zu entwickeln und zu beauftragen (Ratsbeschluss vom
27.08.2012, Vorlage Nr. 1777/2012). Infolge eines Auswahlverfahrens ist die TÜV
Rheinland Industrie Service GmbH (TÜV Rheinland) mit der Erarbeitung des
gesamtstädtischen Seveso-II-Konzeptes beauftragt worden.
Das gesamtstädtische Seveso-II-Konzept
gliedert sich in zwei eigenständige Teile:
-
Der
technische Gutachtenteil hat die angemessenen Abstände der einzelnen
Betriebsbereiche zum Inhalt. Es handelt sich dabei um eine
fortschreibungsfähige gesamtstädtische Übersicht über die Betriebsbereiche und
deren angemessene Abstände. Diese wurden durch den TÜV Rheinland anhand von
Szenarien unter Berücksichtigung der betrieblichen Entwicklungsmöglichkeiten
ermittelt und von der Bezirksregierung Köln (in Abstimmung mit dem Landesamt
für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV)) auf Plausibilität geprüft. Die
Ergebnisse des technischen Gutachtens sind in den konzeptionellen Gutachtenteil
übernommen worden.
-
Der
konzeptionelle Gutachtenteil befasst sich damit, welche Nutzungen zukünftig
unter welchen Voraussetzungen innerhalb der angemessenen Abstände angesiedelt
werden können. Hierzu wurde zunächst eine Gliederung des Stadtgebietes
innerhalb des angemessenen Abstands in Planungszonen vorgenommen. Im folgenden
Schritt wurden Nutzungen benannt, die innerhalb der einzelnen Zonen zukünftig
zulässig, nur unter bestimmten Auflagen zulässig bzw. nicht mehr zulässig sind.
Dabei ist sowohl ein (erstmaliges) Heranrücken von schutzbedürftigen Nutzungen
an einen Betriebsbereich zu vermeiden als auch der jeweilige Gebietscharakter
zu wahren.
Mit dem gesamtstädtischen Seveso-II-Konzept
wird ein neuer Weg beschritten, da nach Kenntnis der Verwaltung bisher noch
kein vergleichbares Gutachten zur Klärung der Rahmenbedingungen innerhalb der
angemessenen Abstände seitens einer anderen betroffenen Kommune erstellt wurde.
Das gesamtstädtische Seveso-II-Konzept soll als gemeindliches Entwicklungskonzept im Sinne von § 1 Abs. 6 Nr. 11 Baugesetzbuch (BauGB) zukünftig als Planungs- und Entscheidungsgrundlage bzw. Abwägungsmaterial für Planverfahren dienen sowie Vorgaben für Genehmigungsverfahren schaffen. Übergeordnete Zielsetzung ist es, im Hinblick auf städtebauliche Entwicklungen bzw. zukünftige Bauvorhaben sowohl der Stadt als auch den Betreibern Planungssicherheit zu gewährleisten. Auf beiden Seiten soll der heutige Bestand gesichert werden und eine Weiterentwicklung im heutigen Rahmen möglich sein.
Von Beginn an war der Verwaltung wichtig,
dass die Betreiber, aber auch die Bezirksregierung Köln als Genehmigungsbehörde
sowie das LANUV informiert und in das Verfahren eingebunden werden. Daher hat
im Dezember 2012 eine Auftaktveranstaltung stattgefunden, die der Information
über die Idee und das Ziel des gesamtstädtischen Seveso-II-Konzeptes diente.
Auch wurden erste Fragen der Betreiber und Behörden durch den TÜV Rheinland
beantwortet. Im gesamten Prozess der Konzepterarbeitung wurde ein besonderes
Augenmerk auf die Einbindung der und Abstimmung mit den Betreibern und Behörden
gelegt. So wurden beispielsweise verschiedene Planungsfälle im Rahmen eines
Planspiels diskutiert und gemeinsam Lösungswege erarbeitet.
Darüber hinaus hat es eine ausführliche
Diskussion und Abstimmung mit den Betreibern der Störfallbetriebe insbesondere
im Hinblick auf den Umgang mit den angemessenen Abständen sowie mögliche
Nutzungen innerhalb dieser Abstände gegeben.
Da jedoch nicht alle denkbaren Einzelfälle
von neuen Vorhaben abgehandelt werden konnten, ist nicht auszuschließen, dass
ergänzend zum gesamtstädtischen Seveso-II-Konzept bei schutzbedürftigen
Nutzungen, die innerhalb der angemessenen Abstände angesiedelt werden sollen,
ergänzende gutachterliche Stellungnahmen erforderlich werden.
Weitere Vorgehensweise
Das gesamtstädtische Seveso-II-Konzept wird
der Öffentlichkeit sowohl in einer Informationsveranstaltung als auch durch
eine Auslegung vorgestellt. Darüber hinaus werden die Träger öffentlicher
Belange eingebunden.
Das technische Gutachten ist Ergebnis der
umfangreichen Ermittlungen und der Berechnungen der nach § 29a BImSchG
anerkannten Sachverständigen in enger Zusammenarbeit mit den Betreibern der
Störfallbetriebe. Voraussetzung dafür war jeweils eine
Geheimhaltungsvereinbarung, die lediglich die Freigabe der Gutachtenergebnisse,
also der ermittelten angemessenen Abstände einschließlich
Entwicklungsmöglichkeiten, zulässt. Bei den angemessenen Abständen handelt es
sich um feststehende Größenordnungen, die anhand bestimmter Parameter errechnet
worden sind. Der technische Gutachtenteil wird zu Informationszwecken ausgelegt.
In den konzeptionellen Gutachtenteil II sind
städtebauliche Aspekte eingeflossen, die nur im Wege der Abwägung öffentlicher
und privater Belange bzw. in einem Planverfahren geregelt werden könnten. Die
Bauleitplanung stellt jedoch kein praktikables Instrument, mit dem die
„Seveso-II-Problematik“ in der Leverkusener Gemengelage geregelt werden könnte.
Daher soll das gesamtstädtische Seveso-II-Konzept als gemeindliches
Entwicklungskonzept gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB beschlossen werden.
Zur Ermittlung der privaten und öffentlichen Belange wird ein Beteiligungsverfahren
gemäß BauGB analog einem Bebauungsplanverfahren (§ 3 Abs. 2 BauGB)
durchgeführt.
Das gesamtstädtische Seveso-II-Konzept wird für
die Dauer eines Monats öffentlich ausgelegt. Im diesem Zeitraum können die
Unterlagen eingesehen werden und es besteht die Möglichkeit, bei den
Mitarbeitern des Fachbereichs Stadtplanung Fragen zu stellen und Anregungen zum
gesamtstädtischen Seveso-II-Konzept vorzubringen.
Die vorgebrachten Stellungnahmen werden
abschließend dem Rat und seinen vorberatenden Gremien zur Abwägung und
Beschlussfassung gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB
vorgelegt.
Um ein erstmaliges Heranrücken schutzbedürftiger Nutzungen an die Betriebsbereiche zu verhindern, müssen die in der Zone direkt um die Betriebsbereiche CHEMPARK und Dynamit Nobel GmbH (Planungszone 1) bestehenden rechtskräftigen Bebauungspläne geprüft und geändert werden. Die im konzeptionellen Gutachtenteil definierten zulässigen/ nicht zulässigen Nutzungen müssen entsprechend festgesetzt werden. Teilweise ist es erforderlich, bestehende Baurechte zu entziehen. Dazu wird die Verwaltung Aufstellungs- bzw. Änderungsverfahren für Bebauungspläne für die Planungszone 1 einleiten, um den Ausschluss schutzbedürftiger Nutzungen in diesem Bereich zu regeln und damit ein Heranrücken an den Betriebsbereich zu verhindern. Ggf. müssen Veränderungssperren gemäß § 14 ff BauGB erlassen werden, um die neue Planung für das Plangebiet zu sichern. In der Zeit der Veränderungssperre dürfen keine baulichen Umbaumaßnahmen, Abriss- und/ oder Neubauarbeiten im Plangebiet genehmigt werden, sofern überwiegende öffentliche Belange entgegenstehen.
Im August 2012 ist die neue Richtlinie 2012/18/EU zur Beherrschung von Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen (Seveso-III-Richtlinie) zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Seveso-II-Richtlinie in Kraft getreten. Die Umsetzung in nationales Recht muss bis zum 31.05.2015 erfolgen.
Nach
Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie in nationales Recht, wird das gesamt-städtische
Seveso-II-Konzept fortgeschrieben. Durch geänderte Stofflisten und weitere
neue/ geänderte Regelungen werden ggf. weitere Betriebe zu Störfallbetrieben,
so dass eine Anpassung des Konzeptes an die neue Rechtslage erforderlich werden
könnte. Grundsätzlich gelten die Aussagen des gesamtstädtischen
Seveso-II-Konzepts aber auch unter dem Regime der der Seveso-III-Richtlinie, da
diese in dem zentralen
Art. 13 (Art. 12 a. F.) vergleichbare Regelungen enthält.
Schnellübersicht über die finanziellen Auswirkungen (Beschluss des
Finanzausschusses vom 01.02.2010 und Auflage der Kommunalaufsicht vom
26.07.2010), die beabsichtigte Bürgerbeteiligung und die Nachhaltigkeit der
Vorlage
Ansprechpartner / Fachbereich / Telefon: Frau
Sikorski / FB 61 / 61 23
Kurzbeschreibung
der Maßnahme und Angaben, ob die Maßnahme durch die Rahmenvorgaben des
Leitfadens des Innenministers zum Nothaushaltsrecht abgedeckt ist.
(Angaben
zu § 82 GO NRW, Einordnung investiver Maßnahmen in Prioritätenliste etc.)
Im August 2012 wurde die TÜV Rheinland Industrie Service GmbH (TÜV Rheinland) mit der Erstellung des gesamtstädtischen Seveso-II-Konzeptes beauftragt. Es handelt sich dabei um eine Pflichtaufgabe nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 GO NRW.
Das Konzept befasst sich unter anderem mit der Verträglichkeit bestimmter im Stadtgebiet vorhandener Störfallbetriebsbereiche mit aktuellen und zukünftigen städtebaulichen Planungen unter dem Gesichtspunkt des § 50 BImSchG bzw. Art. 12 Seveso-II-Richtlinie.
A) Etatisiert unter
Finanzstelle(n) / Produkt(e)/ Produktgruppe(n):
(Etatisierung im laufenden Haushalt und
mittelfristiger Finanzplanung)
Finanzmittel sind in Produktgruppe 0905, Teilprodukt 09-05-01-03, vorhanden.
B) Finanzielle
Auswirkungen im Jahr der Umsetzung:
(z. B. Personalkosten,
Abschreibungen, Zinswirkungen, Sachkosten etc.)
Es entstehen personelle Aufwände sowie Kosten für die Informationsveranstaltungen. Zu berücksichtigen sind zudem interne Kosten, beispielsweise für die Vervielfältigung (Farbe) oder Bindung der Dokumente.
C) Finanzielle Folgeauswirkungen ab dem Folgejahr der Umsetzung:
(überschlägige Darstellung pro
Jahr)
Je nach Erfordernis könnten ergänzende gutachterliche Stellungnahmen erforderlich sein. Diese sind aus heutiger Sicht noch nicht zu bestimmen.
D) Besonderheiten
(ggf. unter Hinweis auf die Begründung zur Vorlage):
(z. B.: Inanspruchnahme aus
Rückstellungen, Refinanzierung über Gebühren, unsichere Zuschusssituation,
Genehmigung der Aufsicht, Überschreitung der Haushaltsansätze, steuerliche
Auswirkungen, Anlagen im Bau, Auswirkungen auf den Gesamtabschluss)
E) Beabsichtigte
Bürgerbeteiligung (vgl. Vorlage Nr. 2014/0111):
Keine
weitergehende Bürgerbeteiligung erforderlich |
Stufe
1 Information |
Stufe
2 Konsultation |
Stufe
3 Kooperation |
[ja]
[nein] |
[ja]
[nein] |
[X]
[nein] |
[ja]
[nein] |
Beschreibung und Begründung des Verfahrens: (u.a.
Art, Zeitrahmen, Zielgruppe und Kosten des Bürgerbeteiligungsverfahrens) Es wird ein Beteiligungsverfahren gemäß BauGB
analog einem Bebauungsplanverfahren |
F) Nachhaltigkeit der Maßnahme im Sinne des
Klimaschutzes:
Klimaschutz
nicht betroffen |
keine Nachhaltigkeit |
kurz- bis mittelfristige
Nachhaltigkeit |
langfristige
Nachhaltigkeit |
[ja]
[nein] |
[ja]
[nein] |
[ja]
[nein] |
[X]
[nein] |