Betreff
Resolution zur "Instrumentenreform"
Vorlage
1233/2011
Aktenzeichen
50-Beig.Stein-sö
Art
Beschlussvorlage

 

Beschlussentwurf:

 

Der Ausschuss nimmt den Bericht von Verwaltung und AGL zur Kenntnis und fordert Bundestag und Bundesrat auf, den Gesetzentwurf zur sog. „Instrumentenreform“ so zu modifizieren, dass auch zukünftig leistungsfähige arbeitsmarktpolitische Instrumente zur Qualifizierung, Betreuung und Beschäftigung arbeitsmarktferner Langzeitarbeitsloser zur Verfügung stehen.

 

gezeichnet:

Stein

 

Begründung:

 

1. Sachstand zur Instrumentenreform

 

Das Bundeskabinett hat am 25.5.2011 dem Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, der sog. „Instrumentenreform“ zugestimmt. Das nicht zustimmungspflichtige Gesetz befindet sich derzeit im parlamentarischen Verfahren und soll Anfang November für den Bereich SGB III und ab 01.04.2012 für den Bereich SGB II in Kraft treten.

 

Mit diesem Gesetzentwurf sollen sowohl im SGB II als auch im SGB III weit reichende Veränderungen realisiert werden. Grundsätzlich wird dies in den Eckpunkten des BMAS zum Gesetzentwurf wie folgt beschrieben:

 

Leitlinien für die Umsetzung des Vorhabens sind:

 

1.Beibehaltung der Entgeltersatzleistungen und Teilhabeleistungen

 

Die Versicherungsleistungen im engeren Sinne werden nicht verändert. Dies gilt sowohl für die Entgeltersatzleistungen als auch für die besonderen (Pflicht-   ) Leistungen im Bereich der beruflichen Rehabilitation.

 

2. Neuordnung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente im SGB III an Bedarfslagen

 

Die arbeitsmarktpolitischen Instrumente werden konsequent nach Unterstützungsleistungen geordnet, die für Ausbildung- und Arbeitsuchende in bestimmten Arbeitsmarktkontexten erforderlich werden können. Bedarfslagen in diesem Sinne sind:

 

Beratung und Vermittlung

Aktivierung und berufliche Eingliederung,

Berufswahl und Berufsausbildung,

Berufliche Weiterbildung,

Aufnahme einer Erwerbstätigkeit,

Verbleib in Beschäftigung,

Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben.

 

Die bisherige Zuordnung der Instrumente der aktiven Arbeitsförderung nach der Dreiteilung Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Träger wird aufgegeben.

 

3. Reduzierung der Zahl der Instrumente und Verringerung der Regelungsdichte

 

Die Zahl der Instrumente der aktiven Arbeitsförderung soll reduziert, die

Handlungsmöglichkeiten der aktiven Arbeitsmarktpolitik dadurch aber nicht eingeschränkt werden. Instrumente mit ähnlicher Zielrichtung werden zusammengeführt.

Wegfallen sollen Instrumente mit geringer praktischer Bedeutung bzw. keiner oder negativer Wirkung auf die Integrationschancen Ausbildung- und Arbeitsuchender. Die gesetzlichen Regelungen sollen sich auf Kerninhalte und Rahmenbedingungen beschränken, die zu einer einheitlichen Anwendung des Rechts unbedingt notwendig sind. Dies stärkt die dezentrale Entscheidungskompetenz und -verantwortung. Die Beratungs- und Vermittlungsfachkräfte vor Ort können somit das Instrumentarium flexibel und auf den individuellen Handlungsbedarf ausgerichtet einsetzen. Damit wird auch den Belangen des Bürokratieabbaus Rechnung getragen. Es muss allerdings sichergestellt werden, dass die Verwaltung nicht durch ergänzende Regelungen und Weisungen die vom Gesetzgeber gegebenen Spielräume wieder einengt, sondern dass die Verantwortlichen vor Ort die neuen Spielräume durch eigenverantwortliche und transparente Entscheidungen einzelfallorientiert ausfüllen können.

 

4. Neuordnung der öffentlich geförderten Beschäftigung

 

Die Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen soll für den Bereich des SGB III gestrichen werden. Sie sind seit Jahren zahlenmäßig von untergeordneter Bedeutung und gehören zu den wenigen Instrumenten, für die die Arbeitsmarktforschung negative Wirkungen in Form eines verzögerten Übergangs in ungeförderte Beschäftigung ermittelt hat. Die im Bereich des SGB II existierenden drei Fördermöglichkeiten der öffentlich geförderten Beschäftigung sollen zu zwei Instrumenten mit klaren gesetzlichen Rahmenbedingungen und einer arbeitsmarktpolitischen Ausrichtung zusammengeführt und weiterentwickelt werden.

 

5. Auswirkungen auf das SGB II

 

Die Neuregelungen im Bereich des SGB III sollen grundsätzlich auch im Bereich des SGB II Anwendung finden. Dies entspricht dem rechtskreisübergreifenden Ansatz einer integrativen Arbeitsmarktpolitik, die mit ihrem ganzheitlichen Handeln auf den Aufbau von Beschäftigung und den nachhaltigen Abbau von Arbeitslosigkeit in beiden Rechtskreisen ausgerichtet ist.“

 

Die AGL wird im Rahmen der Ausschusssitzung über den Gesetzentwurf im Einzelnen und seine konkreten Auswirkungen auf die Arbeitsmarktpolitik in der Stadt Leverkusen berichten.

 

 

2. Kritik am Gesetzentwurf

 

Der Gesetzentwurf ist verbreitet auf Kritik gestoßen.

 

2.1. Position des Städtetages

 

So hat der Städtetag bereit in seiner ersten Stellungnahme vom 27.04.2011 ausgeführt:

 

„Allgemeine Anmerkungen

 

Die im Referentenentwurf genannten Ziele stoßen auch bei uns auf breite Zustimmung. Dezentralität, Flexibilität, Individualität, Qualität und Transparenz sollte jedoch nicht bloß wohlklingende Ziele sein, sondern durch die Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente tatsächlich verfolgt werden.

Hierin bestehen angesichts der vorgelegten Änderungsvorschläge und der vorgesehenen massiven Reduzierung der aktiven Arbeitsmarktmittel jedoch Zweifel. Vor dem Hintergrund der sehr ambitionierten Sparvorgaben befürchten wir vielmehr, dass damit ein erheblicher Rückgang bei der Bewilligung von Leistungen einhergehen wird. Insbesondere die Beschäftigungsförderung für arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose könnte vor diesem Hintergrund als "zu teuer" eingestuft werden, da eine schnelle Integration in den regulären Arbeitsmarkt hier trotz verbesserter konjunktureller Lage oftmals nicht zu erwarten sein wird. Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermittlungs- und Integrationsarbeit erscheint uns, die verfestigte Regelung des SGB III als Referenzgesetz für das SGB II aufzubrechen. Die Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik müssen ohne Zweifel zwischen beiden Rechtskreisen abgestimmt sein, allerdings muss der Leistungskatalog im SGB II stärker am Erhalt und der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und bei verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit auch auf die Teilhabe am Arbeitsleben ausgerichtet sein. Diese unterschiedlichen Bedarfe müssen sich in verschiedenen Instrumenten und Fördervoraussetzungen in Sozialgesetzbüchern II und III widerspiegeln. Gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs und des drohenden Fachkräftemangels müssen auch Personen mit multiplen Vermittlungshemnissen individuell und in ausreichender Höhe gefördert werden, um die weiter steigende Sockelarbeitslosigkeit überwinden zu können.

Hinzu kommt, dass das SGB II auch eine Vielzahl von Personengruppen umfasst, die dem Arbeitsmarkt (noch) nicht zur Verfügung stehen, beispielsweise Schüler, Jugendliche in Ausbildung, Alleinerziehende mit Kindern unter 3 Jahren. Auch für diese Gruppen sollten Fördermöglichkeiten vorgesehen werden, beispielsweise in der Unterstützung von Schülern bei der Berufsorientierung oder bei der Heranführung von Alleinerziehenden mit Kindern unter 3 Jahren den Arbeitsmarkt.

 

Bewertung einzelner Regelungen

 

Es steht zu befürchten, dass der in vielen Städten sehr gute qualifizierungs- und beschäftigungsfördernde Arbeitsmarkt zunichte gemacht wird, wenn die Verschmelzung der bislang vorhandenen drei Instrumente der öffentlich geförderten Beschäftigung zu zweien unter restriktiveren Fördervoraussetzungen bei extrem gekürzten Trägerbudgets realisiert wird, da dann dieser Arbeitsmarkt qualitativ und quantitativ nicht aufrecht erhalten werden kann. Mit der Pauschalierung der Zuschüsse an die Träger von Arbeitsgelegenheiten in Höhe von insgesamt max. 150 € je Teilnehmer und Monat (ohne Angabe eines Betreuungsschlüssels oder Berechnungsgrundlage) ist die Qualität und das Angebot nicht aufrecht zu erhalten. Dies gilt insbesondere für kostenaufwändige Maßnahmen für besondere Problemgruppen wie z.B. ehemalige Alkohol- oder Drogenabhängige sowie psychisch kranke Menschen. Neben der raschen Integration in den ersten Arbeitsmarkt muss daher auch das Ziel der sozialen Stabilisierung durch öffentlich geförderte Beschäftigung im SGB II verankert und durch praktikable Regelungen gesichert werden.

 

Die im Referentenentwurf vorgesehenen Neuregelungen stellen die Arbeitsgelegenheiten vor diesem Hintergrund grundsätzlich in Frage. Die Verschärfung der Förderkriterien durch die zusätzliche Regelung zur "Wettbewerbsneutralität" führt nach unserer Einschätzung letztlich wohl zur Abschaffung der Arbeitsgelegenheiten. Jedenfalls wird die neue Fördervoraussetzung "Wettbewerbsneutralität" in Verbindung mit der extremen Verbürokratisierung der Stellengenehmigungen für Arbeitsgelegenheiten durch Geschäftsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zu einer weiteren Reduzierung der Plätze im öffentlich finanzierten und organisierten Arbeitsmarkt führen. Sinnvoller wäre es, diese Kriterien im Gesetz weitgehend zu streichen und dafür vorzusehen, dass die Einsatzbereiche des öffentlich finanzierten und organisierten Arbeitsmarktes im Rahmens eines Verhandlungsverfahrens lokal bzw. regional zwischen Trägern, Jobcenter und evtl. Gewerkschaften festgelegt werden.

 

Auch die bisherigen Beschäftigungszuschüsse nach § 16 e SGB II werden bei Inkrafttreten der vorgesehenen Neuregelungen wohl nicht mehr anfallen, da hier ebenfalls die eigenständigen Fördervoraussetzungen der Zusätzlichkeit, des öffentlichen Interesses sowie der Wettbewerbsneutralität verlangt werden. Da hier aber mindestens 25 % des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgeltes wie bisher vom Arbeitgeber selbst aufzubringen sind, muss diesem die Möglichkeit gegeben sein, diese Personalkosten auf dem freien Markt erwirtschaften zu können. Die Förderung der beruflichen Weiterbildung (§ 81 ff. SGB III) muss modernisiert und den aktuellen Erfordernissen angepasst werden. Die besonderen Förderbedarfe bildungsferner Zielgruppen bzw. die hohe Bedeutung abschlussbezogener modularisierter beruflicher Aus- bzw. Weiterbildung müssen explizit im Gesetz berücksichtigt werden.“

 

2.2. Änderungsantrag des Bundesrates

 

Der Bundesrat hat aus den gleichen Gründen einen sehr umfassenden Änderungsantrag eingebracht, mit dem auf die beschriebenen Defizite des Gesetzentwurfs eingegangen wird (Bundesratsdrucksache 313/1/11).

 

2.3. Stellungnahmen von Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und Parteien

 

Eine umfassende Darstellung aller kritischen Stellungnahmen zum Gesetzentwurf würde den Rahmen der Vorlage sprengen. Eine anschauliche Übersicht ist beispielsweise unter http://www.lag-arbeit-hessen.net/index.php?id=440 einsehbar, worauf insoweit Bezug genommen wird.

 

Nach Einschätzung der Verwaltung ist die weitgehend kritische Bewertung des Gesetzentwurfs berechtigt. Deshalb wird dem Ausschuss vorgeschlagen, sich entsprechend politisch zu positionieren.

Schnellübersicht über die finanziellen Auswirkungen der Vorlage Nr. 1233/2011

Beschluss des Finanzausschusses vom 01.02.2010 und Auflage der Kommunalaufsicht vom 26.07.2010

 

Ansprechpartner / Fachbereich / Telefon: Beig. Frank Stein, Dez. III, 88 31..

Kurzbeschreibung der Maßnahme und Angaben, ob die Maßnahme durch die Rahmenvorgaben des Leitfadens des Innenministers zum Nothaushaltsrecht abgedeckt ist.

(Angaben zu § 82 GO NRW, Einordnung investiver Maßnahmen in Prioritätenliste etc.) 

 

Keine finanziellen Auswirkungen, da es sich um eine Resolution handelt

 

 

A) Etatisiert unter Finanzstelle(n) / Produkt(e)/ Produktgruppe(n):

 (Etatisierung im laufenden Haushalt und mittelfristiger Finanzplanung)

 

Keine Etatisierung erfolgt

 

 

B) Finanzielle Auswirkungen im Jahr der Umsetzung:

(z. B. Personalkosten, Abschreibungen, Zinswirkungen, Sachkosten etc.) 

 

Keine

 

 

C) Finanzielle Folgeauswirkungen ab dem Folgejahr der Umsetzung:   

(überschlägige Darstellung pro Jahr)                                                

 

Keine

 

 

D) Besonderheiten (ggf. unter Hinweis auf die Begründung zur Vorlage):

(z. B.: Inanspruchnahme aus Rückstellungen, Refinanzierung über Gebühren, unsichere Zuschusssituation, Genehmigung der Aufsicht, Überschreitung der Haushaltsansätze, steuerliche Auswirkungen, Anlagen im Bau, Auswirkungen auf den Gesamtabschluss)

 

Keine