Beschlussentwurf:
Der Ausschuss nimmt den Bericht von Verwaltung und AGL zur Kenntnis und fordert Bundestag und Bundesrat auf, den Gesetzentwurf zur sog. „Instrumentenreform“ so zu modifizieren, dass auch zukünftig leistungsfähige arbeitsmarktpolitische Instrumente zur Qualifizierung, Betreuung und Beschäftigung arbeitsmarktferner Langzeitarbeitsloser zur Verfügung stehen.
gezeichnet:
Stein
Begründung:
1. Sachstand zur Instrumentenreform
Das Bundeskabinett hat am 25.5.2011 dem Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, der sog. „Instrumentenreform“ zugestimmt. Das nicht zustimmungspflichtige Gesetz befindet sich derzeit im parlamentarischen Verfahren und soll Anfang November für den Bereich SGB III und ab 01.04.2012 für den Bereich SGB II in Kraft treten.
Mit diesem Gesetzentwurf sollen sowohl im SGB II als auch im SGB III weit reichende Veränderungen realisiert werden. Grundsätzlich wird dies in den Eckpunkten des BMAS zum Gesetzentwurf wie folgt beschrieben:
„Leitlinien für die Umsetzung des Vorhabens
sind:
1.Beibehaltung der
Entgeltersatzleistungen und Teilhabeleistungen
Die Versicherungsleistungen im engeren Sinne
werden nicht verändert. Dies gilt sowohl für die Entgeltersatzleistungen als
auch für die besonderen (Pflicht- ) Leistungen
im Bereich der beruflichen Rehabilitation.
2. Neuordnung der
arbeitsmarktpolitischen Instrumente im SGB III an Bedarfslagen
Die arbeitsmarktpolitischen Instrumente
werden konsequent nach Unterstützungsleistungen geordnet, die für Ausbildung-
und Arbeitsuchende in bestimmten Arbeitsmarktkontexten erforderlich werden
können. Bedarfslagen in diesem Sinne sind:
Beratung und Vermittlung
Aktivierung und berufliche
Eingliederung,
Berufswahl und
Berufsausbildung,
Berufliche Weiterbildung,
Aufnahme einer
Erwerbstätigkeit,
Verbleib in Beschäftigung,
Teilhabe behinderter Menschen
am Arbeitsleben.
Die bisherige Zuordnung der Instrumente der
aktiven Arbeitsförderung nach der Dreiteilung Arbeitnehmer, Arbeitgeber und
Träger wird aufgegeben.
3. Reduzierung der
Zahl der Instrumente und Verringerung der Regelungsdichte
Die Zahl der Instrumente der aktiven
Arbeitsförderung soll reduziert, die
Handlungsmöglichkeiten der aktiven
Arbeitsmarktpolitik dadurch aber nicht eingeschränkt werden. Instrumente mit
ähnlicher Zielrichtung werden zusammengeführt.
Wegfallen sollen Instrumente mit geringer
praktischer Bedeutung bzw. keiner oder negativer Wirkung auf die Integrationschancen
Ausbildung- und Arbeitsuchender. Die gesetzlichen Regelungen sollen sich auf
Kerninhalte und Rahmenbedingungen beschränken, die zu einer einheitlichen Anwendung
des Rechts unbedingt notwendig sind. Dies stärkt die dezentrale Entscheidungskompetenz
und -verantwortung. Die Beratungs- und Vermittlungsfachkräfte vor Ort können
somit das Instrumentarium flexibel und auf den individuellen Handlungsbedarf ausgerichtet
einsetzen. Damit wird auch den Belangen des Bürokratieabbaus Rechnung getragen.
Es muss allerdings sichergestellt werden, dass die Verwaltung nicht durch ergänzende
Regelungen und Weisungen die vom Gesetzgeber gegebenen Spielräume wieder einengt,
sondern dass die Verantwortlichen vor Ort die neuen Spielräume durch eigenverantwortliche
und transparente Entscheidungen einzelfallorientiert ausfüllen können.
4. Neuordnung der
öffentlich geförderten Beschäftigung
Die Förderung von
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen soll für den Bereich des SGB III gestrichen
werden. Sie sind seit Jahren zahlenmäßig von untergeordneter Bedeutung und
gehören zu den wenigen Instrumenten, für die die Arbeitsmarktforschung negative
Wirkungen in Form eines verzögerten Übergangs in ungeförderte Beschäftigung
ermittelt hat. Die im Bereich des SGB II existierenden drei Fördermöglichkeiten
der öffentlich geförderten Beschäftigung sollen zu zwei Instrumenten mit klaren
gesetzlichen Rahmenbedingungen und einer arbeitsmarktpolitischen Ausrichtung
zusammengeführt und weiterentwickelt werden.
5. Auswirkungen
auf das SGB II
Die Neuregelungen im Bereich des SGB III
sollen grundsätzlich auch im Bereich des SGB II Anwendung finden. Dies
entspricht dem rechtskreisübergreifenden Ansatz einer integrativen Arbeitsmarktpolitik,
die mit ihrem ganzheitlichen Handeln auf den Aufbau von Beschäftigung und den
nachhaltigen Abbau von Arbeitslosigkeit in beiden Rechtskreisen ausgerichtet
ist.“
Die AGL wird im
Rahmen der Ausschusssitzung über den Gesetzentwurf im Einzelnen und seine
konkreten Auswirkungen auf die Arbeitsmarktpolitik in der Stadt Leverkusen
berichten.
2. Kritik am Gesetzentwurf
Der
Gesetzentwurf ist verbreitet auf Kritik gestoßen.
2.1. Position des Städtetages
So hat der
Städtetag bereit in seiner ersten Stellungnahme vom 27.04.2011 ausgeführt:
„Allgemeine Anmerkungen
Die im
Referentenentwurf genannten Ziele stoßen auch bei uns auf breite Zustimmung.
Dezentralität, Flexibilität, Individualität, Qualität und Transparenz sollte
jedoch nicht bloß wohlklingende Ziele sein, sondern durch die Reform der
arbeitsmarktpolitischen Instrumente tatsächlich verfolgt werden.
Hierin
bestehen angesichts der vorgelegten Änderungsvorschläge und der vorgesehenen
massiven Reduzierung der aktiven Arbeitsmarktmittel jedoch Zweifel. Vor dem
Hintergrund der sehr ambitionierten Sparvorgaben befürchten wir vielmehr, dass
damit ein erheblicher Rückgang bei der Bewilligung von Leistungen einhergehen
wird. Insbesondere die Beschäftigungsförderung für arbeitsmarktferne
Langzeitarbeitslose könnte vor diesem Hintergrund als "zu teuer"
eingestuft werden, da eine schnelle Integration in den regulären Arbeitsmarkt
hier trotz verbesserter konjunktureller Lage oftmals nicht zu erwarten sein
wird. Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermittlungs- und
Integrationsarbeit erscheint uns, die verfestigte Regelung des SGB III als
Referenzgesetz für das SGB II aufzubrechen. Die Grundlagen der
Arbeitsmarktpolitik müssen ohne Zweifel zwischen beiden Rechtskreisen abgestimmt
sein, allerdings muss der Leistungskatalog im SGB II stärker am Erhalt und der
Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und bei verfestigter
Langzeitarbeitslosigkeit auch auf die Teilhabe am Arbeitsleben ausgerichtet
sein. Diese unterschiedlichen Bedarfe müssen sich in verschiedenen Instrumenten
und Fördervoraussetzungen in Sozialgesetzbüchern II und III widerspiegeln.
Gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs und des drohenden
Fachkräftemangels müssen auch Personen mit multiplen Vermittlungshemnissen
individuell und in ausreichender Höhe gefördert werden, um die weiter steigende
Sockelarbeitslosigkeit überwinden zu können.
Hinzu
kommt, dass das SGB II auch eine Vielzahl von Personengruppen umfasst, die dem
Arbeitsmarkt (noch) nicht zur Verfügung stehen, beispielsweise Schüler,
Jugendliche in Ausbildung, Alleinerziehende mit Kindern unter 3 Jahren. Auch
für diese Gruppen sollten Fördermöglichkeiten vorgesehen werden, beispielsweise
in der Unterstützung von Schülern bei der Berufsorientierung oder bei der
Heranführung von Alleinerziehenden mit Kindern unter 3 Jahren den Arbeitsmarkt.
Bewertung einzelner Regelungen
Es steht
zu befürchten, dass der in vielen Städten sehr gute qualifizierungs- und
beschäftigungsfördernde Arbeitsmarkt zunichte gemacht wird, wenn die
Verschmelzung der bislang vorhandenen drei Instrumente der öffentlich geförderten
Beschäftigung zu zweien unter restriktiveren Fördervoraussetzungen bei extrem
gekürzten Trägerbudgets realisiert wird, da dann dieser Arbeitsmarkt qualitativ
und quantitativ nicht aufrecht erhalten werden kann. Mit der Pauschalierung der
Zuschüsse an die Träger von Arbeitsgelegenheiten in Höhe von insgesamt max. 150
€ je Teilnehmer und Monat (ohne Angabe eines Betreuungsschlüssels oder
Berechnungsgrundlage) ist die Qualität und das Angebot nicht aufrecht zu
erhalten. Dies gilt insbesondere für kostenaufwändige Maßnahmen für besondere
Problemgruppen wie z.B. ehemalige Alkohol- oder Drogenabhängige sowie psychisch
kranke Menschen. Neben der raschen Integration in den ersten Arbeitsmarkt muss
daher auch das Ziel der sozialen Stabilisierung durch öffentlich geförderte
Beschäftigung im SGB II verankert und durch praktikable Regelungen gesichert
werden.
Die im
Referentenentwurf vorgesehenen Neuregelungen stellen die Arbeitsgelegenheiten
vor diesem Hintergrund grundsätzlich in Frage. Die Verschärfung der Förderkriterien
durch die zusätzliche Regelung zur "Wettbewerbsneutralität" führt
nach unserer Einschätzung letztlich wohl zur Abschaffung der
Arbeitsgelegenheiten. Jedenfalls wird die neue Fördervoraussetzung
"Wettbewerbsneutralität" in Verbindung mit der extremen
Verbürokratisierung der Stellengenehmigungen für Arbeitsgelegenheiten durch
Geschäftsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zu einer weiteren Reduzierung
der Plätze im öffentlich finanzierten und organisierten Arbeitsmarkt führen.
Sinnvoller wäre es, diese Kriterien im Gesetz weitgehend zu streichen und dafür
vorzusehen, dass die Einsatzbereiche des öffentlich finanzierten und
organisierten Arbeitsmarktes im Rahmens eines Verhandlungsverfahrens lokal bzw.
regional zwischen Trägern, Jobcenter und evtl. Gewerkschaften festgelegt
werden.
Auch die
bisherigen Beschäftigungszuschüsse nach § 16 e SGB II werden bei Inkrafttreten
der vorgesehenen Neuregelungen wohl nicht mehr anfallen, da hier ebenfalls die
eigenständigen Fördervoraussetzungen der Zusätzlichkeit, des öffentlichen
Interesses sowie der Wettbewerbsneutralität verlangt werden. Da hier aber
mindestens 25 % des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgeltes wie bisher vom
Arbeitgeber selbst aufzubringen sind, muss diesem die Möglichkeit gegeben sein,
diese Personalkosten auf dem freien Markt erwirtschaften zu können. Die
Förderung der beruflichen Weiterbildung (§ 81 ff. SGB III) muss modernisiert
und den aktuellen Erfordernissen angepasst werden. Die besonderen Förderbedarfe
bildungsferner Zielgruppen bzw. die hohe Bedeutung abschlussbezogener
modularisierter beruflicher Aus- bzw. Weiterbildung müssen explizit im Gesetz
berücksichtigt werden.“
2.2.
Änderungsantrag des Bundesrates
Der Bundesrat hat aus den gleichen Gründen einen sehr
umfassenden Änderungsantrag eingebracht, mit dem auf die beschriebenen Defizite
des Gesetzentwurfs eingegangen wird (Bundesratsdrucksache 313/1/11).
2.3. Stellungnahmen von
Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und Parteien
Eine umfassende
Darstellung aller kritischen Stellungnahmen zum Gesetzentwurf würde den Rahmen
der Vorlage sprengen. Eine anschauliche Übersicht ist beispielsweise unter http://www.lag-arbeit-hessen.net/index.php?id=440
einsehbar, worauf insoweit Bezug genommen wird.
Nach Einschätzung der
Verwaltung ist die weitgehend kritische Bewertung des Gesetzentwurfs
berechtigt. Deshalb wird dem Ausschuss vorgeschlagen, sich entsprechend
politisch zu positionieren.
Schnellübersicht über die finanziellen Auswirkungen der Vorlage Nr. 1233/2011
Beschluss des Finanzausschusses vom 01.02.2010 und Auflage der
Kommunalaufsicht vom 26.07.2010
Ansprechpartner / Fachbereich / Telefon: Beig. Frank Stein, Dez. III,
88 31..
Kurzbeschreibung
der Maßnahme und Angaben, ob die Maßnahme durch die Rahmenvorgaben des
Leitfadens des Innenministers zum Nothaushaltsrecht abgedeckt ist.
(Angaben
zu § 82 GO NRW, Einordnung investiver Maßnahmen in Prioritätenliste etc.)
Keine finanziellen Auswirkungen, da es sich um eine Resolution handelt
A) Etatisiert unter Finanzstelle(n)
/ Produkt(e)/ Produktgruppe(n):
(Etatisierung im laufenden Haushalt und mittelfristiger
Finanzplanung)
Keine Etatisierung erfolgt
B) Finanzielle
Auswirkungen im Jahr der Umsetzung:
(z. B. Personalkosten,
Abschreibungen, Zinswirkungen, Sachkosten etc.)
Keine
C) Finanzielle Folgeauswirkungen ab dem Folgejahr der Umsetzung:
(überschlägige Darstellung
pro Jahr)
Keine
D) Besonderheiten
(ggf. unter Hinweis auf die Begründung zur Vorlage):
(z. B.: Inanspruchnahme aus
Rückstellungen, Refinanzierung über Gebühren, unsichere Zuschusssituation,
Genehmigung der Aufsicht, Überschreitung der Haushaltsansätze, steuerliche
Auswirkungen, Anlagen im Bau, Auswirkungen auf den Gesamtabschluss)
Keine