Betreff
Fortführung der Babylotsen (Lotsendienste im Klinikum)
Vorlage
2022/1678
Aktenzeichen
JHPL-ja
Art
Beschlussvorlage

 

Beschlussentwurf:

 

1.    Der Rat beschließt, dass der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB), Ortsverein Leverkusen, gemäß der Konzeption „Babylotsen Leverkusen“ ab 01.01.2023 mit der Durchführung betraut wird und ihm Finanzmittel für 1,0 VZ Stelle zur Verfügung gestellt werden. Die Zuwendung wird zunächst auf fünf Jahre befristet.

 

2.    Der DKSB kooperiert gemäß dem Konzept „Babylotsen Leverkusen“ mit dem Klinikum Leverkusen.

 

3.    Die Babylotsen sind in das Netzwerk der „Frühen Hilfen“ eingebettet und werden durch die kommunale Netzwerkkoordination der „Frühen Hilfen“ koordiniert.

 

 

gezeichnet:

                                                         In Vertretung                                 In Vertretung

Richrath                                         Molitor                                             Adomat

Begründung:

 

Das Projekt Babylotsen ist ein bundesweit bekanntes Konzept im Feld der „Frühen Hilfen“ und findet seit geraumer Zeit an der Schnittstelle zwischen Jugendhilfe und Gesundheitswesen sowohl strukturell als auch politisch eine hohe Beachtung. In den vergangenen Jahren wurden mehrere Modellprojekte, unter anderem in Kooperation mit dem „Nationalen Zentrum Frühe Hilfen“ an der Charité in Berlin und dem Universitätsklinikum Frankfurt am Main, initiiert, was dazu führte, dass das Projekt aufgrund der wissenschaftlichen Evidenz und des großen Erfolgs an zahlreichen Standorten inzwischen verstetigt wurde.

 

Die Stadt Leverkusen verfügt bereits über ein etabliertes Netzwerk und sichert eine gute Grundversorgung der Mütter und Familien ab, welche 2021 ihr zehnjähriges Bestehen feierte. Insbesondere die dezentrale und sozialraumorientierte Struktur mit unterschiedlichen Hilfsangeboten in zahlreichen Stadtteilen, die Kopplung von interdisziplinären Ladenlokalen mit diversen Akteur*innen und Institutionen, das flächendeckende Angebot von Familienhebammen und die eigens geschaffene psychologische Versorgung für die Zielgruppe der „Frühen Hilfen“ Leverkusen finden deutschlandweit Beachtung.

 

So gehört es zur Qualitätssicherung des Netzwerks, stets die Bedarfe und Anforderungen zu evaluieren. Im Zuge dessen wurde eine bislang noch bestehende Lücke in der kommunalen Kette der „Frühen Hilfen“ aufgedeckt und gemeinsam mit mehreren Akteurinnen und Akteuren im Netzwerk wurden Überlegungen angestellt, diese zu schließen. Auch auf landes- und bundesweiter Ebene fanden die Lotsendienste 2021 vermehrt Beachtung, sodass die Stadtverwaltung Leverkusen im konkreten Austausch mit dem LVR als zuständigem Landesjugendamt und dem Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (MKFFI), insbesondere auf mehreren Veranstaltungen zum konkreten Themenzuschnitt, stand und die Idee der Umsetzung eines solchen Lotsendienstes in Leverkusen konkretisierte. Bedingt durch die Corona-Pandemie, welche zeitgleich einen Höhepunkt erreichte, wurden durch die Bundesstiftung „Frühe Hilfen“ und das MKFFI Sonderzahlungen mit dem Betreff „Aufholen nach Corona“ initiiert. Die Stadtverwaltung Leverkusen entschied sich im Zuge dessen, diese Gelder zu einem Großteil für das neue Projekt Babylotsen als „Anschubfinanzierung“ einzusetzen. Zugleich bewarb sich die Stadt Leverkusen bei der Stiftung Auridis in Kooperation mit der Stiftung SeeYou Hamburg um die Unterstützung im Rahmen eines Beratungsprogramms zur Etablierung im kommunalen Raum. Die Auridis Stiftung fördert öffentliche Träger und private Organisationen, die mit ihren Angeboten und Leistungen die Bedingungen während des Aufwachsens von Kindern nachhaltig verbessern. Durch die Zusage und die Kopplung beider Möglichkeiten zum Start des Projektes wurde ein erheblicher Bestandteil zur Qualitätssicherung geleistet.

 

Nachdem die ersten Rahmenbedingungen gesichert und die Idee konkretisiert war, galt es, einen potenziellen Träger für die Etablierung des Projektes zu finden. Nach gründlicher Abwägung konnte die Stadtverwaltung den Deutschen Kinderschutzbund Ortsverein Leverkusen (KSB) als Kooperationspartner gewinnen. Der KSB ist seit vielen Jahren fester Bestandteil des Netzwerkes „Frühe Hilfen“ der Stadt Leverkusen und entsprechend geeignet für das Vorhaben, die bestehende Lücke durch den Lotsendienst zu schließen. Langjährige Erfahrung weist der Kinderschutzbund Leverkusen im Zuge des Projektes „wellcome“ auf, bei dem Familien in der Regel erst im Laufe des ersten Lebensjahres des Kindes kontaktiert werden, ohne dass eine konkrete Zeitspanne definiert ist. Eng arbeitet „wellcome“ mit den Willkommensbesuchen, welche durch das Diakonische Werk Leverkusen verantwortet und realisiert werden, zusammen. Diese finden in der Regel drei bis sechs Monate nach Geburt des Kindes statt und erreichen keineswegs alle Familien Leverkusens. Bislang sind diese beiden Angebote der früheste Kontaktpunkt für Familien zum Hilfesystem der „Frühen Hilfen“ in Leverkusen. Langfristiges Ziel soll es sein, möglichst viele Leverkusener Mütter bereits vor und/oder unmittelbar nach der Geburt des Kindes erreichen zu können und die Bedarfe von Familien zu erkennen sowie auf freiwilliger Basis im Rahmen eines Lotsendienstes an geeignete Angebote anzudocken. Dieses oder ein vergleichbares Angebot existiert aktuell nicht in Leverkusen und weist im Sinne des präventiven Ansatzes und zugleich den politischen Entwicklungen im Diskurs der „Frühen Hilfen“ eine erhebliche Lücke auf.

 

Für dieses Vorhaben fungiert die Stadt Leverkusen als Leistungsträger und der KSB als Leistungserbringer. Die Projektleitung wird der Netzwerkkoordination der „Frühen Hilfen" obliegen, die inhaltliche und personelle Zuständigkeit dem KSB - untermauert durch eine Kooperationsvereinbarung. Gemeinsam sind die Babylotsen Leverkusen inzwischen als Mitglied im bundesweiten Qualitätsverbund e. V. aufgenommen worden.

 

Als drittes elementares Bindeglied steht das Klinikum Leverkusen im Mittelpunkt des Projektes. Insbesondere die Tatsache, dass in den vergangenen drei Jahren eine der zwei Geburtskliniken in Leverkusen geschlossen wurde und das Klinikum Leverkusen künftig die einzige Entbindungsstation stadtweit hat, unterstreichen die Konzentration des Projektes auf diesen örtlichen Rahmen und die notwendige Kooperation mit mehreren Stationen dieses Hauses. Hinzu kommt, dass das Klinikum ein Perinatalzentrum der höchsten Versorgungsstufe Level 1 hat und zu den erfahrensten Geburtskliniken der Region gehört. In den vergangenen Monaten wurden bereits intensive Gespräche mit Vertreter*innen des Klinikums geführt und auch hier wurde die bestehende Lücke klar deutlich. Im Zuge der Kooperationsgespräche mit dem Klinikum, als Kernarbeitsort und Zentrum der Babylotsen in Leverkusen, werden zahlreiche Professionen vereint, um den offensichtlichen Bedarf eines Lotsendienstes zu schließen: Zur Geburtsaufnahme verweisen vor allem die Hebammen, die Gynäkolog*innen und das Kreißsaalteam auf die Babylotsen, nach der Geburt kommen das Pflegeteam, der Sozialdienst, die Psycholog*innen, die Pädiater*innen und der Bunte Kreis hinzu. Durch den interdisziplinären Wunsch, einen Lotsendienst nach Leverkusen zu holen, bestätigte das Klinikum den dringenden Bedarf, eine Kooperationsvereinbarung mit dem KSB zu schließen und das Angebot Babylotsen als festen Bestandteil in die Frauenklinik/Geburtenstation einzubinden. Auch die Geburtszahlen sprechen für den erheblichen Bedarf: 2021 gab es 1898 Geburten im Klinikum Leverkusen und somit einen Zuwachs von zwölf Prozent zum Vorjahr. In diesem Jahr wurde bereits Ende Juni 2022 die 1000. Geburt verzeichnet.

 

Die gesetzliche Grundlage des Angebotes bildet vorrangig § 16 SGB VIII:

 

(1) Müttern, Vätern, anderen Erziehungsberechtigten und jungen Menschen sollen Leistungen der allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie angeboten werden. Diese Leistungen sollen Erziehungsberechtigte bei der Wahrnehmung ihrer Erziehungsverantwortung unterstützen und dazu beitragen, dass Familien sich die für ihre jeweilige Erziehungs- und Familiensituation erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten insbesondere in Fragen von Erziehung, Beziehung und Konfliktbewältigung, von Gesundheit, Bildung, Medienkompetenz, Hauswirtschaft sowie der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit aneignen können und in ihren Fähigkeiten zur aktiven Teilhabe und Partizipation gestärkt werden. Sie sollen auch Wege aufzeigen, wie Konfliktsituationen in der Familie gewaltfrei gelöst werden können.

 

(2) Leistungen zur Förderung der Erziehung in der Familie sind insbesondere
1.: Angebote der Familienbildung, die auf Bedürfnisse und Interessen sowie auf Erfahrungen von Familien in unterschiedlichen Lebenslagen und Erziehungssituationen eingehen, die Familien in ihrer Gesundheitskompetenz stärken, die Familie zur Mitarbeit in Erziehungseinrichtungen und in Formen der Selbst- und Nachbarschaftshilfe besser befähigen, zu ihrer Teilhabe beitragen sowie junge Menschen auf Ehe, Partnerschaft und das Zusammenleben mit Kindern vorbereiten,
2.: Angebote der Beratung in allgemeinen Fragen der Erziehung und Entwicklung junger Menschen,
3.: Angebote der Familienfreizeit und der Familienerholung, insbesondere in belastenden Familiensituationen, die bei Bedarf die erzieherische Betreuung der Kinder einschließen.

Dabei soll die Entwicklung vernetzter, kooperativer, niedrigschwelliger, partizipativer und sozialraumorientierter Angebotsstrukturen unterstützt werden.

 

(3) Müttern und Vätern sowie schwangeren Frauen und werdenden Vätern sollen Beratung und Hilfe in Fragen der Partnerschaft und des Aufbaus elterlicher Erziehungs- und Beziehungskompetenzen angeboten werden.

 

Weitere gesetzliche Grundlagen sind im Konzept aufgeführt.

 

Die Babylotsen konnten nach erfolgreicher Beratung, Konzeptualisierung und Erschließung des Netzwerks sowie Abschluss der Kooperationsgespräche im Leistungsdreieck Stadtverwaltung, KSB und Klinikum im Juni 2022 erste Anfragen im Klinikum Leverkusen bedienen. Eine Auswertung der Tätigkeit der Babylotsen in den ersten vierzehn Tagen im Klinikum Leverkusen hat die Erfahrung aus den anderen bundesweiten Standorten uneingeschränkt bestätigt. Die Familien nehmen das Angebot in hohem Maße an und weisen ein mannigfaltiges Spektrum an Bedarfen auf. So konnten im Juni viele Familien unter anderem zu den Themenfeldern „Versorgung und Weiterbetreuung durch Hebamme & Kinderärzt*in in Leverkusen“, finanzielle Versorgung und Anträge (bspw. Eltern- und Mutterschaftsgeld) und kooperative Themen mit anderen Beteiligten (z. B. psychologischer Dienst) beraten und begleitet werden. Besonders hervorzuheben ist, dass bereits mehrere Familien an die Ladenlokale der „Frühen Hilfen“ angedockt werden konnten. Auch wurden Kooperationsvereinbarungen mit umliegenden Städten geschlossen oder in Angriff genommen, die perspektivisch im Sinne des präventiven und flächendeckenden Gedankens ausgeweitet werden.

 

Die genannten Gründe unterstreichen die Notwendigkeit zur Etablierung eines kontinuierlich bestehenden Angebotes „Babylotsen“. Durch die ersten Monate und die „Anschubfinanzierung“ der Mittel „Aufholen nach Corona“ hat sich der Erfolg und die dringende Beständigkeit des Lotsendienstes in Leverkusen als präventives und nachhaltiges Angebot bestätigt.

 

I) Finanzielle Auswirkungen im Jahr der Umsetzung und in den Folgejahren

 

 Nein (sofern keine Auswirkung = entfällt die Aufzählung/Punkt beendet)

 

 Ja – ergebniswirksam

Produkt: Die Etatisierung erfolgt im Etat bei verschiedenen Innenaufträgen in der Produktgruppe 0615. Sachkonto:      

Aufwendungen für die Maßnahme:      

Fördermittel beantragt:   Nein   Ja       %

Name Förderprogramm:      

Ratsbeschluss vom       zur Vorlage Nr.      

Beantragte Förderhöhe:      

 

 Ja – investiv

Finanzstelle/n:       Finanzposition/en:      

Auszahlungen für die Maßnahme:      

Fördermittel beantragt:   Nein   Ja       %

Name Förderprogramm:      

Ratsbeschluss vom       zur Vorlage Nr.      

Beantragte Förderhöhe:      

 

Maßnahme ist im Haushalt ausreichend veranschlagt

 Ansätze sind ausreichend

 Deckung erfolgt aus Produkt/Finanzstelle      

 in Höhe von      

 

Jährliche Folgeaufwendungen ab Haushaltsjahr: 2023

 Personal-/Sachaufwand: 65.550 €

 Bilanzielle Abschreibungen:      

Hierunter fallen neben den üblichen bilanziellen Abschreibungen auch einmalige bzw. Sonderabschreibungen.

 Aktuell nicht bezifferbar

 

Jährliche Folgeerträge (ergebniswirksam) ab Haushaltsjahr:      

 Erträge (z. B. Gebühren, Beiträge, Auflösung Sonderposten):      

Produkt:       Sachkonto      

 

Einsparungen ab Haushaltsjahr:      

 Personal-/Sachaufwand:      

Produkt:       Sachkonto      

 

 ggf. Hinweis Dez. II/FB 20:            

 

II) Nachhaltigkeit der Maßnahme im Sinne des Klimaschutzes:

Klimaschutz  betroffen

Nachhaltigkeit

 

kurz- bis

mittelfristige Nachhaltigkeit

langfristige Nachhaltigkeit

 

 ja   nein

 ja   nein

 ja   nein

 ja   nein

 

Begründung der einfachen Dringlichkeit:

 

Eine zeitnahe Beschlussfassung zur Fortführung des Projektes wird seitens der Verwaltung empfohlen. Daher bringt die Verwaltung die Vorlage noch zum Nachtragstermin in den September-Turnus ein.