Betreff
Weiterentwicklung der Betreuung und Unterbringung im Rahmen der Wohnungslosenhilfe Leverkusen
Vorlage
2023/2576
Aktenzeichen
r
Art
Beschlussvorlage

 

Beschlussentwurf:

 

1.    Der Rat der Stadt Leverkusen nimmt den Sachstand „Betreuung und Unterbringung im Rahmen der Wohnungslosenhilfe“ zur Kenntnis.

 

2.    Die Verwaltung wird beauftragt, in Zusammenarbeit mit den einschlägigen Institutionen (u. a. Sozialpsychiatrisches Zentrum (SPZ), Suchthilfe gGmbH, Caritasverband Leverkusen e. V.) eine multiprofessionelle und zielgruppenorientierte Weiterentwicklung des Personal- und Betriebskonzeptes und begleitende Maßnahmen auf der Grundlage der derzeitigen Angebotsstruktur für Wohnungslose umzusetzen.

 

3.    Der Rat der Stadt Leverkusen beauftragt die Verwaltung, in regelmäßigen Abständen über die Fortschritte und die abgeleiteten Maßnahmen im Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Senioren Bericht zu erstatten.

 

 

gezeichnet:

                                               In Vertretung

Richrath                                Lünenbach

 

Begründung:

 

Wohnungs- und Obdachlosigkeit werden im alltäglichen Sprachgebrauch oft verwechselt oder gleichgesetzt. Wohnungslosigkeit ist ein übergreifender Begriff, Obdachlosigkeit bezeichnet nur einen Teil der Wohnungslosigkeit. Als wohnungslos werden alle Menschen bezeichnet, die über keinen mietvertraglich abgesicherten oder eigenen Wohnraum verfügen, obdachlos sind, vorübergehend bei Verwandten oder Bekannten untergekommen sind, in Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege oder in kommunalen Einrichtungen leben. Als obdachlos werden Menschen bezeichnet, die im öffentlichen Raum wie beispielsweise in Parks, Gärten, U-Bahnhöfen, Kellern oder Baustellen übernachten oder über die jeweiligen Ländergesetze der Sicherheit und Ordnung vorübergehend untergebracht sind.

 

Diese prekären Lebenssituationen können aus verschiedenen Gründen, wie Armut, Arbeitslosigkeit, psychischen Erkrankungen, Suchtproblemen oder familiären Konflikten, entstehen. Die Konsequenzen von Wohnungslosigkeit sind für die betroffenen Menschen oft weitreichend. Sie stehen vor erheblichen physischen und psychischen Belastungen, einem Mangel an Zugang zu grundlegenden Bedürfnissen wie Nahrung und Hygiene, sozialer Isolation und einem erhöhten Risiko für Gewalt und Gesundheitsprobleme.

 

Zum Stichtag 31. Januar 2023 waren nach Zahlen des Statistische Bundesamt in Deutschland 456.560 Menschen wohnungslos. 372.000 Menschen lebten in Einrichtungen der Kommunen oder der freien Wohlfahrtspflege. Hinzu kommen laut dem Wohnungslosenbericht schätzungsweise 84.500 Menschen, die bei befreundeten Personen oder Bekannten unterkommen sind oder die gar keine Unterkunft haben. Die Zahl der Wohnungslosen hat sich gegenüber dem Vorjahr zwar deutlich erhöht (2022: 178 000 Menschen), dieser Anstieg ist jedoch zum Teil auf eine Verbesserung der Datenmeldung im zweiten Jahr der Statistikdurchführung zurückzuführen. Des Weiteren wurden 2023 knapp 130.000 geflüchtete Personen aus der Ukraine in der Statistik erfasst. Dies entspricht gut einem Drittel (35 %) aller untergebrachten wohnungslosen Personen.

 

Der Anstieg von Wohnungslosigkeit wird von weiteren Faktoren beeinflusst. Ein entscheidender Faktor ist die anhaltende Wohnraumknappheit in vielen deutschen Städten, insbesondere in Ballungsräumen, die zu steigenden Mietpreisen und begrenztem verfügbarem Wohnraum führt. Dies kann es für viele Menschen, insbesondere für diejenigen mit niedrigem Einkommen, immer schwieriger machen, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Unsicherheit und die sozialen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und des russischen Angriffskrieges haben ebenfalls dazu beigetragen, dass Menschen ihre Wohnungen verloren haben oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind.

 

Der gesetzliche Unterbringungsauftrag der Kommunen gemäß § 14 Absatz 1 des Ordnungsbehördengesetzes Nordrhein-Westfalen (OBG NRW) legt die Verantwortung der Kommunen fest, wohnungslosen Menschen bei akuter Obdachlosigkeit eine vorübergehende Unterbringung zu gewähren. Das bedeutet, dass die Kommunen gesetzlich verpflichtet sind, notleidenden Menschen, die ohne festen Wohnsitz sind und keine anderen Unterbringungsmöglichkeiten haben, eine vorübergehende Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Diese gesetzliche Verpflichtung zielt darauf ab, die grundlegenden Menschenrechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde zu wahren und sicherzustellen, dass niemand gezwungen ist, auf der Straße zu leben.

 

Ein Schutz vor Witterung, Kälte und Gewalt allein reicht nicht aus. Die strukturellen Bedingungen in Notschlafstellen und Tagesaufenthaltsstätten wirken sich langfristig negativ auf die Gesundheit aus. Ein zunehmend längerer Verbleib auf der Straße oder in Notunterkünften wird für Betroffene mehr und mehr zum Dauerzustand und führt hierdurch zum Verlust von Ressourcen, da die Menschen sich an ihre prekäre Lebenssituation gewöhnen. Dies wiederum kann zu einer Hospitalisierung, Resignation und chronischer Wohnungslosigkeit führen.

 

Sachstand in Leverkusen:

In Leverkusen leben derzeit etwa 200 wohnungslose Menschen in städtischen Einrichtungen oder Räumlichkeiten des Caritasverband Leverkusen e. V. Die Möglichkeiten der Unterbringung für die Betroffenen erstrecken sich auf folgende Einrichtungen, welche im Folgenden ausführlicher erörtert werden:

 

Objekt

Kapazität in Personen

Belegung in Personen

Notschlafstelle (Caritas)

Schießbergstr. 77

36

17

Hotel Atrium

(Caritas)

18

18

Haus Gezelinus

(Caritas)

12

11

Heinrich-Claes-Str. 33 (Stadt Leverkusen)

94

45

Manforter Str. 142

(Stadt Leverkusen)

20

16

Hermann-Löns-Str. 1

(Stadt Leverkusen)

29

17

Sandstr. - Altbau

(Stadt Leverkusen)

106

62

Sandstr. - Container

(Stadt Leverkusen)

18

17

Summe

337

195

Die Differenz der Belegung zur Kapazität wird bedingt durch Einzelzimmerbelegung statt der vorgesehenen Doppelzimmer.

 

Einrichtungen des Caritasverbands Leverkusen e. V.:

Erste Anlaufstelle für volljährige Einzelpersonen bildet die Notschlafstelle des Caritasverband Leverkusen e.V. in Leverkusen-Wiesdorf (Schießbergstr. 77). Die Einrichtung ist 365 Tagen im Jahr von 20.00 Uhr bis 08.00 Uhr geöffnet. Sie bietet 36 alleinstehenden erwachsenen Frauen und Männern, die wohnungslos geworden sind, für die Nacht ein festes Dach in einem geschützten Rahmen. Vor Ort betreuen insgesamt 1,5 Vollzeitkräften (VK) pädagogische Fachkräfte, 2,5 VK Betreuungskräfte sowie zwei Reinigungskräften die Wohnungslosen.

 

Der Aufenthalt in der Notschlafstelle ist grundsätzlich nur für einen kurzen Zeitraum ausgelegt, dauert in der Realität jedoch oftmals deutlich länger. Zur Klärung der Situation und Erarbeitung weiterführender Schritte nehmen die wohnungslosen Menschen innerhalb von drei Werktagen Kontakt zur Fachberatungsstelle auf. Aufgrund der Räumlichkeiten und der äußeren Rahmenbedingungen ist die Situation für die Betroffenen in der Notschlafstelle häufig konfliktbeladen.

 

Der Tagestreff, in unmittelbarer Nähe zur Notschlafstelle, bietet tagsüber eine wichtige Anlaufstelle für wohnungslose Menschen, die aufgrund ihrer aktuellen Lebenssituation keine Möglichkeiten haben, primären Grundbedürfnissen nachzukommen. Der Treff ist ebenfalls an 365 Tagen im Jahr von 08.00 Uhr bis 20.00 Uhr geöffnet. Im Tagestreff arbeiten 3,5 VK pädagogische Fachkräfte, 2,5 VK Betreuungskräfte sowie vier Reinigungskräfte. Vor Ort besteht für Wohnungslose die Möglichkeit, sich in geschlossenen Räumen aufzuhalten und aufzuwärmen, sich zu duschen, persönliche Wäsche zu waschen oder weiterführende Hilfe zu erhalten. Vertreter*innen der Fachstellen (z. B. Sozialpädagogisches Zentrum (SPZ), Suchthilfe gGmbH Leverkusen, Wohnraumvermittlung) nehmen monatlich am regelmäßig stattfindenden Frühstück teil. Der Tagestreff bietet wohnungslosen Menschen keinen Wohnersatz. Begleitend bietet die Caritas Leverkusen wohnbegleitende Hilfen, wie das Orientierungshaus Atrium, ambulant begleitetes Wohnen und das Haus Gezelinus, um Wohnungslosen langfristige Lösungen und Unterstützung bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu bieten.

 

Das Orientierungshaus Atrium hat das vorrangige Ziel, die Lebensverhältnisse wohnungsloser Menschen zu stabilisieren und ihren aktuellen Unterstützungsbedarf zu ermitteln. Durch die gemeinsame Erarbeitung von Perspektiven und die Motivationsförderung zur Annahme weiterführender Hilfen werden nachhaltige Lösungswege aus der Wohnungslosigkeit angestrebt, um die Teilhabe dieser Zielgruppe am gesellschaftlichen Leben zu gewährleisten. Die Einrichtung richtet sich in der Regel an alleinstehende, volljährige Menschen, bei denen die Voraussetzungen der §§ 67 ff. Sozialgesetzbuch (SGB) XII erfüllt sind. Das Orientierungshaus Atrium ist rund um die Uhr personell besetzt und verfügt über ein Team von 3,70 Vollzeitkräften in pädagogischen Fachberufen, 2,75 VK in Sozialbetreuung, eine Vollzeitkraft für Hauswirtschafts- und Reinigungsaufgaben sowie eine 0,5 VK in der Verwaltung. Die Finanzierung erfolgt im Rahmen einer Entgeltvereinbarung zum Leistungstyp 29 über den Landschaftsverband Rheinland (LVR).

 

Das Haus Gezelinus bietet Unterstützung und Unterkunft für wohnungslose oder akut von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen, die aufgrund langjährigen Lebens auf der Straße, in Notunterkünften oder im Umfeld der Wohnungslosenszene an schwerer, teilweise chronischer Alkoholabhängigkeit, psychischer Erkrankungen und physischer Einschränkungen leiden. Die individuellen Lebensgeschichten der Bewohner*innen haben oft dazu geführt, dass herkömmliche Therapieangebote und stationäre Suchthilfeeinrichtungen nicht in Anspruch genommen werden konnten. Zugangsvoraussetzungen für andere Hilfseinrichtungen können aufgrund fortgeschrittener Erkrankungen, mangelnder Krankheitseinsicht oder der Wahl eines nicht abstinenzorientierten Lebensstils nicht erfüllt werden. Das Hauptziel besteht darin, den Bewohner*innen ein weitgehend eigenständiges und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, unterstützt durch ein Team von Mitarbeitenden, bestehend aus 1,5 VK in sozialpädagogischen Fachberufen, einer Ergotherapeutin mit 0,75 VK sowie einer Leitung mit 1,0 VK. Zusätzlich findet eine Fachberatung für Wohnungslose durch den Caritasverband Leverkusen e.V. statt. Diese verfolgt das Ziel, mit einem Team von Vollzeitkräften in sozialpädagogischen Fachberufen Unterstützung und Vermittlung zu weiterführenden Hilfen zu bieten, um akute Wohnungslosigkeit zu überwinden. Die Mitarbeitenden nutzen die niedrigschwellige Struktur des Tagestreffs, um Kontakt aufzunehmen. Um sicherzustellen, dass wohnungslose Menschen nicht über längere Zeiträume auf Notschlafstellen angewiesen sind, wird angestrebt, dass Betroffene innerhalb der ersten drei Werktage Kontakt zur Fachberatungsstelle aufnehmen. Ebenso werden wohnungslose Menschen, die ausschließlich die postalische Erreichbarkeit nutzen, spätestens nach drei Monaten aufgefordert, sich bei der Fachberatungsstelle zu melden, um die Verfestigung ihrer prekären Wohnsituation zu verhindern.

 

Städtische Unterkünfte:

Die Stadt Leverkusen betreibt ergänzend kommunale Gemeinschaftsunterkünfte (Sandstraße 65-67, Heinrich-Claes-Str. 33, Hermann-Löns-Str. 1a und Manforter Str. 142) zur Unterbringung im Rahmen des OBG. In diesen Unterkünften werden Personen folgender Zielgruppen untergebracht:

 

Körperlich eingeschränkte Menschen:

Menschen, die im Rollstuhl sitzen oder gangunsicher sind und auf einen Rollator angewiesen sind. Das Problem hierbei ist der unzureichende Platz, da diese Personen einen größeren Bewegungsradius haben und die Räumlichkeiten sehr beengt sind (ca. 15 m²), wenn das Mobiliar im Raum ist.

 

Menschen mit Pflegebedarf:

Menschen, die auf pflegerische Unterstützung angewiesen sind, erhalten vor Ort keine Pflege durch die eingesetzten Mitarbeitenden. Die Menschen müssen sich um eine ambulante Pflege bemühen. Der pflegerische Bedarf wird von den Bewohnenden auch während der Abwesenheit der ambulanten Pflege eingefordert. Die Einrichtung ist nicht barrierefrei, sondern barrierearm. Rauchabschlusstüren müssen händisch bedient werden.

 

Psychiatrisch erkrankte Menschen:

Menschen, mit einer psychiatrischen Diagnose, die eine Betreuung benötigen damit die Krankheit sich nicht verschlechtert. Diese Menschen werden nach der Unterbringung oft nicht adäquat versorgt, da diese sich eigenständig um ihre Behandlung kümmern müssen, was jedoch oft aufgrund der Erkrankung nicht erfolgt.

 

Suchtkranke Menschen:

Menschen mit einer Suchterkrankung, die oft nicht diagnostiziert und auch nicht behandelt ist. Diese Menschen geraten oft in Drucksituationen, in denen sie sich nicht mehr zu helfen wissen. In der Folge wird der Druck dieser Menschen auf das Umfeld übertragen, so dass es u.a. zu Konflikten kommt.

 

Unbehandelte Menschen mit fehlender Compliance (fehlende Kooperation des Patienten bei einer medizinischen Behandlung):

Diese Menschen haben bestimmte Verhaltensweisen, die als Symptome für Erkrankungen gem. International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems - ICD10 wiedergeben. Eine adäquate Diagnose durch einen Facharzt ist aber nicht vorhanden, da diese Menschen sich nicht in Behandlung begeben. Die besonderen Verhaltensweisen sind nicht nachvollziehbar und sorgen für Konflikte bei den Mitmenschen.

 

Alleinstehende Frauen:

Diese Menschen fühlen sich nicht sicher in einer Einrichtung mit anderen Menschen. Hinzu kommt, dass die vorher beschriebenen Zielgruppen mit Konfliktpotential ein bedrohliches Wohnumfeld für alleinstehende Frauen erzeugen. Aussagen von Betroffenen belegen dies.

 

Familien:

Familien sind Verbünde von Menschen, die ein Zusammenleben im Verbund gewohnt sind. Hierbei treten jedoch in der Gemeinschaftsunterkunft Konflikte bei den höherschwelligen Werten und Normen der Familien mit anderen Bewohner*innen auf.

 

Die Kapazitäten der Einrichtungen reichen – bedingt durch notwendige Einzelzimmerbelegung – zunehmend für den Bedarf der Unterbringung nicht aus. Dies hat zur Folge, dass eine Zielgruppentrennung in der Unterbringung nur sehr schwer möglich ist und eine gemeinsame Unterbringung von Einzelpersonen mit schweren psychosozialen Problemlagen und Suchtproblematiken, Familien und besonders vulnerablen Personen derzeit nicht verhindert werden kann.

 

Die Gruppe der wohnungslosen Menschen ist aus medizinischer Sicht sehr heterogen. Neben dem Auftreten von somatischen Erkrankungen treten unterschiedliche, psychiatrische Krankheitsbilder auf, die leicht bis schwer ausgeprägt sein können und mit Distanzlosigkeit, Kontrollverlust bis hin zur Selbst- oder Fremdgefährdung einhergehen können. Eine weitere Gruppe von Wohnungslosen weist eine Suchterkrankung auf, die ebenfalls in unterschiedlicher Ausprägung vorliegt und in schweren Fällen in Gewalt mit Rauschzuständen oder in eine Entzugssymptomatik bis hin zur Selbstgefährdung münden und entweder eigenständig oder gemeinsam mit einer psychischen Erkrankung vorliegen kann.

 

Liegen psychiatrische Krankheitsbilder oder eine Suchproblematik in schwerer bis schwerster Ausprägung vor, sind diese Menschen oft krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage für sich selber zu sorgen, oder mit anderen sozialverträglich zusammenzuleben. Derzeit ist die Lage in den städtischen Einrichtungen in Folge der Einzelzimmerbelegung sehr angespannt und es mehren sich die Zahlen von Gewaltandrohungen bis hin zu Gewaltdelikten an Mitbewohner*innen oder dem Betreuungspersonal.

 

 Die Ursachen für Konflikte sind:

-       fehlende Kapazitäten,

-       Mischbelegung mit geflüchteten Personen,

-       unzureichende Barrierefreiheit,

-       Konflikte im Anschluss an den Konsum von legalen und illegalen Drogen.

 

Im Betrieb der Einrichtungen wurden vermehrt Konflikte durch Einrichtungsbetreuung und Sicherheitsdienst festgestellt. Die Zielgruppe verhaltensauffälliger Bewohner*innen bringt aufgrund von räumlicher Enge und Drucksituationen der Bewohnenden und der damit einhergehenden Hilflosigkeit ein hohes Maß an Konfliktpotential mit sich, sodass diese verhaltensauffällig agieren. Hierbei wenden die Betroffenen oft physische Gewalt gegen ihr Umfeld an, sodass eine Gefahr von den Menschen für Andere ausgeht. Körperliche Übergriffe gegen den Sicherheitsdienst und andere Bewohnende, Sachschäden und weitere Vorfälle (u. a. Brände) erfolgen sehr häufig.

 

In den städtischen Übergangsheimen für Wohnungslose findet derzeit der im Betriebskonzept der Stadt Leverkusen (Unterbringung von Flüchtlingen in Leverkusen – Rahmenbedingungen für Qualitätsanforderungen und Betriebskonzept - Stand 01.06.2019) festgelegte Personalschlüssel Anwendung:

 

Gemeinschaftsunterkunft mit 80-100 Plätzen

i.d.R. ganztägige Präsenzzeiten

 
Einrichtungsbetreuung                                           0,5 Stelle

Sozialbetreuung                                                       0,5 Stelle

Hausmeister (normaler Tagdienst)                        1,0 Stelle

Sicherheitsdienst/24 Stunden                               gem. DIN 77200-2:2020-07

 

Gemeinschaftsunterkunft mit 55-79 Plätzen

Textfeld: i.d.R. verbindliche PräsenzzeitenEinrichtungsbetreuung                              0,25 Stelle

Sozialbetreuung                                           0,25 Stelle

Hausmeister *in                                            0,5 Stelle

Sicherheitsdienst/24 Stunden                   gem. DIN 77200-2:2020-07

Gemeinschaftsunterkünfte bis 55 Plätzen

Textfeld: i.d.R. verbindliche PräsenzzeitenEinrichtungsbetreuung stundenweise

Sozialbetreuung stundenweise

Hausmeister*in stundenweise

Sicherheitsdienst/24 Stunden                   gem. DIN 77200-2:2020-07

 

Durch den o. g. Personalschlüssel soll der Betrieb einer regulär belegten Gemeinschaftsunterkunft sichergestellt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass die in der Unterkunft untergebrachten Personen, sich selbst versorgen können und Unterstützung bei der Alltagsbewältigung benötigen, nicht erforderlich ist. Im Rahmen des am 12.12.2022 vom Rat beschlossenen neuen Personal- und Betreuungsschlüssel im Bereich der Unterbringung von geflüchteten Personen (s. Vorlage Nr. 2022/1718), stellt sich der Fachbereich Soziales (FB 50) derzeit mit Heilerziehungspfleger*innen sowie Erzieher*innen im Hinblick auf die Betreuung von Geflüchteten neu auf. In der ersten Erprobungsphase konnte festgestellt werden, dass diese engmaschige Begleitung von Personen mit vielfältigen sozialpsychiatrischen Problemlagen sowie Suchtproblemen zu einer deutlichen Stabilisierung geführt hat.

 

Praxisbeispiel:

Bei einer/einem in der Unterkunft Josefstraße 10 untergebrachten Bewohnenden kam es in der Vergangenheit aufgrund von mutmaßlich drogeninduzierten psychiatrischen und sozialen Auffälligkeiten vermehrt zu Problemen im Unterkunftsalltag (Verschmutzung des Zimmers mit Fäkalien, Verwahrlosung, Verarmung). Durch die engmaschige Betreuung (Anleitung beim Wäschewaschen, Anleitung bei der Körperpflege etc.) der/des Bewohnenden durch einen Mitarbeitenden mit heilerziehungspflegerischer Ausbildung konnte der Gesamtzustand deutlich verbessert werden.

 

Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen und dem Zusammenspiel der Zielgruppe sowie der damit verbundene erhöhte Arbeitsaufwand im Hinblick auf die Sicherstellung des reibungslosen Regelbetriebes der Unterkunft kann das bestehende Personalkonzept auf die Unterbringung von wohnungslosen Personen keine Anwendung finden, daher ist ein eigener zielorientierter Personalschlüssel für Unterkünfte von Wohnungslose auszuarbeiten. Im Rahmen des Prozesses werden bestehende Angebote hinsichtlich ihrer Wirksamkeit weiter betrachtet, optimiert und eingebunden. Es muss zusätzliches Personal eingesetzt werden, das eine adäquate Versorgung regelt. Hierfür sind möglicherweise Pflegekräfte, Alltagsbegleitende und Therapeut*innen notwendig. Bislang findet in den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe regelmäßige Sprechstunden des Medizinischen Dienstes (FB 53) sowie vom SPZ, der Suchthilfe Leverkusen und der LVR-Klinik Langenfeld statt.

 

Das Ziel eines umfassenden und integrierten Personal- und Betriebskonzeptes zur Verbesserung der Betreuungssituation für Wohnungslose sollte sein, wohnungslosen Menschen, die über einen längeren Zeitraum auf Obdachlosenunterkünfte angewiesen sind, angemessene Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Die Bereitstellung eines eigenen, sicheren Rückzugsortes kann vielen Betroffenen erheblich helfen. Auch Einzelzimmer sind besonders wichtig für psychisch stark belastete Menschen, da sie die Reizüberflutung reduzieren und dadurch Streitigkeiten, Aggressivität und Gewalt verringern können. Dies trägt auch dazu bei, irritierendes Verhalten und Verwahrlosungstendenzen zu reduzieren und Konfliktpotential mit anderen Bewohnenden zu minimieren. Derzeit können Einzelzimmer allerdings aufgrund fehlender Kapazitäten nur auf Antrag und nach vorheriger Prüfung durch den FB 53 oder das SPZ vergeben werden.

 

Maßnahmen & Umsetzung:

In den vergangenen Monaten hat ein Arbeitskreis „Wohnungslose“ unter Beteiligung der Fachbereiche 50 und 53 sowie der einschlägigen Institutionen (SPZ, Suchthilfe, Caritasverband) in mehreren Sitzungen Arbeitsaufträge und Perspektiven zur Weiterentwicklung der Wohnungslosenhilfe erarbeitet.

 

Weiterentwicklung des Personal- und Betriebskonzeptes:

Im Bereich der gemeinschaftlichen Unterbringung im Sinne des OBG NRW wird fortan ein multiprofessioneller und zielgruppenorientierter Ansatz hinsichtlich bestehender Gemeinschaftsunterkünfte verfolgt. Die Verwaltung wird ein Konzept zur niederschwelligen Betreuung von Einzelpersonen mit schweren psychosozialen Problemlagen und/oder Suchtproblematiken mit einem gestärkten Personalschlüssel erarbeiten. Hierbei werden die bestehenden Angebote (z. B. mobile Beratungsstelle ‚Mokka‘) integriert und hinsichtlich ihrer Wirkung angepasst. Unter Einbeziehung der Träger*innen ist ein Konzept notwendig, dass sehr niederschwellig ist, Konsum zulässt und die Entgiftung oder die Substitution anstrebt. Mögliche Vorbilder sind z. B. das Wohnhaus Schmalbeinstraße des Sozialdienstes katholischer Frauen e. V. (SkF) oder das Johanneshaus der Johanniter in Köln. Für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen soll zukünftig medizinisch fachliche Hilfe zur Verfügung stehen. Ein deutlicher erhöhter Betreuungsschlüssel, der aus einem multiprofessionellen Team besteht, das auf die unterschiedlichen Bedürfnisse eingeht, ist hierfür erforderlich.

 

Die deutlich erhöhten Aggressionen bis hin zur Gewalt in den Einrichtungen durch wohnungslose Menschen ergeben sich aus Sicht des FB 53 nicht nur durch die teilweise schwer psychisch erkrankten und suchtkranken Menschen. Erschwerend kommt hinzu, dass es aktuell keine quantitativ und qualitativ an die Bedürfnisse der Menschen angepasste Betreuung zur Verfügung steht. Hier wird eine zeitnahe Umsetzung des skizzierten Konzepts der bereits durch den FB 50 untergebrachten wohnungslosen Menschen dringend empfohlen. Ziel ist es, kurzfristig eine gesundheitliche Stabilisierung der Betroffenen zu erreichen, die langfristig im besten Fall eine Unterbringung in einer anderen Wohnform oder sogar in einer eigenen Wohnung wieder ermöglicht.

 

Vorbeugende Obdachlosenhilfe – Förderprogramm „Endlich ein Zuhause“:

Der FB 50 - vorbeugende Obdachlosenhilfe - leistet bereits mit zwei städtische Mitarbeitenden wichtige Unterstützung, um Menschen vor dem Verlust ihres Zuhauses zu schützen. Eine effektive Strategie zur Prävention von Obdachlosigkeit beinhaltet eine Kombination aus frühzeitiger Intervention und Unterstützung für gefährdete Bevölkerungsgruppen. Die Hilfen umfassen Beratung und Unterstützung bei der Sicherung der Wohnung, die Erstellung einer umfassenden Sozialanamnese, die Analyse der finanziellen Situation der betroffenen Personen und die Entwicklung von maßgeschneiderten Hilfesystemen, die auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind.

 

Darüber hinaus spielt die Beratung zur eigenverantwortlichen Haushaltsführung eine entscheidende Rolle, um die Fähigkeiten zur Bewältigung der Wohnungsprobleme langfristig zu stärken. Die Beratungsstelle knüpft wichtige Kontakte zu Vermietenden, Rechtsanwält*innen und Gerichtsvollzieher*innen, um rechtliche Angelegenheiten zu klären und die Interessen der Klient*innen effektiv zu vertreten. Mit dem Programm "Endlich ein Zuhause!" des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW) unterstützt das Land seit vielen Jahren die Kommunen bei dieser schwierigen Aufgabe der Bekämpfung der Wohnungslosigkeit. Das Programm hat das Ziel, Wohnungslosigkeit stärker zu vermeiden, eine dauerhafte Integration in Normalwohnraum zu ermöglichen und die Situation von obdachlosen Menschen und von Personen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind, nachhaltig zu verbessern. Zentrale Bausteine sind die „Kümmerer“-Projekte, ein Förderprogramm zur Stärkung der Suchtberatung wohnungsloser Menschen und Unterstützung von Kooperationsvereinbarung mit der Wohnungswirtschaft.

 

Die Stadt Leverkusen hat bis Anfang 2023 mit dem Caritasverband Leverkusen e. V. als Weiterleitungspartner ein Projekt „Präventionsstelle“ durchgeführt, welches aufgrund des Ausscheidens/bzw. des Mangels an geeignetem Personal in der zweiten Förderphase zurückgezogen wurde. Dieses Projekt wird in Zusammenarbeit mit dem MAGS erneut beantragt, erste Gespräche hierzu haben bereits stattgefunden. Mithilfe des Förderprogramms werden bis zu zwei weitere Vollzeitstellen in der vorbeugenden Obdachlosenhilfe des FB 50 ermöglicht, um vor allem die Prävention von Wohnungslosigkeit, die Stärkung der sozialen Integration und die Verbesserung der Lebensbedingungen für obdachlose Menschen nachhaltig zu verbessern. Es umfasst die Möglichkeit der Bereitstellung von finanzieller Unterstützung für Betroffene, die Ausweitung von Beratungs- und Betreuungsangeboten, die verbesserte Zusammenarbeit mit den bestehenden Kooperationspartner*innen (Gemeinnütziger Bauverein Opladen eG (GBO), Krings Immobilien GmbH, Vivawest GmbH, Wohnungsgesellschaft Leverkusen GmbH (WGL), Wilhelm-Sander-Stiftung) sowie der Ausbau von Kooperationen mit weiteren Wohnungsbaugesellschaften, dem Amtsgericht und dem Jobcenter Leverkusen (AGL).

 

Pilotprojekt für Wohnungslose:

Im Hinblick auf die Unterbringung von Wohnungslosen soll ein begleitetes Pilotprojekt unter Einbeziehung der Wohnungswirtschaft mit mietvertragsfähigen Wohnungslosen vergleichbar des „Leverkusener Modells“ entwickelt werden. Ein Schlüsselaspekt zur perspektivischen Verbesserung ist die begleitete Nutzung von geeignetem Wohnraum für mietvertragsfähige Wohnungslose. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit von Verwaltung, Träger*innen und privaten Investor*innen, um geeignete Wohnmöglichkeiten für Betroffene bereitzustellen. Darüber hinaus ist die Sensibilisierung der Akteur*innen und die Bekämpfung von Vorurteilen gegenüber obdachlosen Menschen ein wichtiger Schritt, um das soziale Umfeld zu verbessern und ihnen eine bessere Chance auf Stabilität und Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu bieten.

 

In einem Pilotprojekt sollen mietvertragsfähige Wohnungslose, vergleichbar dem „Leverkusener Modell“, die Möglichkeit erhalten, begleitet wieder in den eigenen vier Wänden ein Zuhause zu finden. Perspektivisch ist die Schaffung eines „Runden Tischs“ zur Vernetzung der unterschiedlichen Akteur*innen (örtlichen Wohnungsbaugesellschaften, Träger*innen, Job Service Beschäftigungsförderung Leverkusen gGmbH - JSL) durch die gestärkte vorbeugende Obdachlosenhilfe angestrebt, um perspektivisch dauerhafte Lösungen für eine besonders belastete Zielgruppe, z. B. durch die Planung verschiedener Kleinstwohnungen bei Neubau- oder Sanierungsprojekten, zu schaffen.

 

Begründung der einfachen Dringlichkeit:

 

Aufgrund interner Abstimmungen war es jetzt erst möglich, die Vorlage final zu erstellen. Um eine Beschlussfassung noch im laufenden November-/Dezemberturnus zu erreichen, wird die Vorlage zum Nachtragstermin eingebracht.